: Monks Frost und Tauwetter
■ Meredith Monk und Rebert Een mit der Kammeroper „Facing North“
Der Vorhang ist schon geöffnet: eine weiße Bühne, ein verschneiter Wald en miniature und das Geräusch krachenden Eises aus Lautsprechern. So wurde das Publikum im Goethetheater von Robert Een und Meredith Monk empfangen. Auf dem Programm standen die erstmals in Deutschland aufgeführte Kammeroper Facing North und einige Songs von Meredith Monk, unterstützt von Robert Een.
Zwei Gestalten, winterwarm eingepackt, mit weißen Masken treten hinter die Miniaturlandschaft, werden ein Mann und eine Frau mit gefrorenen Bewegungen, weit voneinander entfernt, anfangs mit Mundharmonikas im Mund, als ob die eigene Stimme erfrieren könnte. Daneben stehen assoziative Szenen aus sparsamen Bewegungen und Klängen (abgesehen vom Hustenchor des Auditoriums). Dann, vor einem imaginären Feuer, prasseln die Töne los. Und sofort taut auch das Publikum auf, man schmunzelt, lächelt, lacht.
Der Höhepunkt der Oper ist ein atemberaubendes und gleichzeitig humorvolles Duett. Beide ziehen alle Register ihrer Stimmen, werfen sich gegenseitig die Töne schneller als Tischtennisbälle zu und machen damit eine perpetuierende Musik wie ein schnell gepaddeltes Kajak.
Meredith Monk sagte der taz in einem Gespräch über diese Szene: „Ich mag die Musik der Inuit sehr gerne. In dieser Szene ist etwas von dieser Musik, und zwar die gegenseitige Abhängigkeit im Gesang — es ist eine Form, die ein Duett sein muß.“ Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen in der nordischen Kälte war immer auch Thema der Choreographie, in der Monk und Een mit gekonnter Leichtigkeit begeisterten. Robert Een, seit etwa 15 Jahren Ensemblemitglied der Truppe von M. Monk, ein Cellist und Komponist mit einem zärtlichen Tenor, war an der Entwicklung der Oper beteiligt und erwies sich als kongenialer Partner Meredith Monks.
Die beiden verlassen harmonisch, fast gregorianisch singend die Bühne durch das Publikum, ihre Stimmen bleiben - die moderne Technik macht's möglich — auf der Bühne, bis sie von einem ohrenbetäubenden Helikopter übertönt werden, der über der Eiswüste seine Kreise dreht. Ein Explorer-Zelt wird erhellt: die Schneeschuhe für die Zivilisation stehen schon bereit. Das Publikum sitzt mit einer Gänsehaut da, die aber keiner mehr mit warmen Tönen wegsingt. Eine Kammeroper mit politischer Aussage? Monk: „Ja. Facing North ist ein sehr poetisches Stück. Ein Aspekt ist die Huldigung der Landschaft, auch der Gedanke, wie die Natur der Ignoranz der Menschen ausgesetzt ist, und wie verletzlich die Menschen im Angesicht dieser Natur sind. Dieses Gleichgewicht ist zerstört, und die Natur ist gefährdet.“
Nach diesem ersten Teil, der nicht von allen ungeteilte Zustimmung fand, wurde das Konzert mit einigen Songs fortgesetzt. Robert Een war diesmal mit dem Cello dabei. Vom Anfangsstück Travelling an sprang der Funke von Monks Spielfreude über. Das zweite Stück dieser Hälfte, Madwoman's Vision schilderte - ohne Worte — die visionäre Weltsicht einer alten Hexe, ein Unterfangen, daß ohne Sprache fast unmöglich scheint. Der Stimme von M. Monk gelingt es aber, unzählige Nuancen und Schattierungen zu vermitteln. Dagegen fielen die Auszüge aus der Oper Atlas leider etwas ab. Das tat jedoch der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch. Es erklatschte sich das Vergnügen, selber singen zu dürfen: „Jetzt ist es doch nur natürlich, daß wir auch Ihnen ein Lied beibringen“. Wilfried Wiemer
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