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Der Serientäter hat wieder zugeschlagen

■ Der Schwede Stefan Edberg gewinnt trotz zahlreicher Überstunden die US Open gegen Youngster Pete Sampras (USA) mit 3:6, 6:4, 7:6, 6:2 und damit das Duell um die Spitze der Weltrangliste

New York (dpa/taz) — Von der Dramaturgie her war das Herrenfinale in New York Broadway-rief: Der einheimische Pete Sampras, der 1990 sensationell und als jüngster Spieler aller Zeiten in Flushing Meadow gewonnen hatte, wollte seinem Nachfolger, dem Schweden Stefan Edberg, den Titel unbedingt wieder wegnehmen — und so erstmals die Nummer eins in der Welt werden. Denn, so sprach der Computer zuvor zu den beiden Finalisten: „Derjenige, der hier und heute gewinnt, soll der neue Spitzenreiter sein.“

Sampras blieb der Mund offen stehen. Was nicht besonders auffiel, weil dies ohnehin seine zweitliebste Beschäftigung ist. Edberg imitierte vor Aufregung den Computer. Er machte auf emotionslos. Schweigend saß er da, der freundliche E.T. aus Schweden, und konzentrierte sich mit jeder Zelle auf den Countdown um die Tennis-Herrschaft. Wo er die Energien letztendlich hergeholt hat, weiß niemand so genau. Eigentlich nämlich hätte Edberg so schlaff und ausgelutscht sein müssen wie eine gebrauchte bayerische Weißwurst.

Selten zuvor hatte er derart ackern und schuften müssen, um ein Grand- Slam-Finale zu erreichen. Fast zwanzig Stunden lang schwang der Schwede den Schläger. Dreimal mußte er über fünf Sätze gehen, im Halbfinale gegen Michael Chang bescherte ihm dies einen neuen Flushing-Meadow-Überstundenrekord von 5 Stunden 26 Minuten. Um den Adrenalinspiegel konstant hoch zu halten, ließ sich Edberg in jedem der drei Marathonmatches ein Break zurückfallen. Der Mann ist ein Profi.

Eigentlich, so gab er nach dem 3:6, 6:4, 7:6 und 6:2-Sieg gegen den 21jährigen Sampras zu, sei er die ganze Zeit „ganz cool“ gewesen, obgleich der Weg zum Erfolg so hart war. „Holprig“, nannte der 26jährige Edberg seine kraftzehrende Taktik, „aber mental hat mir das sehr geholfen.“ Was ihm so wichtig gewesen sei, war vor allem die Titelverteidigung, nicht etwa die Nummer eins, versuchte Edberg mit gewohnt scheuem Lächeln den Journalisten anschließend einen Bären aufzubinden. Doch sein Trick war der gleiche wie vor genau zwölf Monaten.

Damals hatte er Jim Courier im Finale geschlagen und damit Boris Becker die Bürde des Weltbesten abgenommen. Der Edberg ist ein Serientäter — seit dem 13.August 1990 ist er bereits zum fünften Mal die Nummer eins. Courier, der bis zu diesem 13.September 22 Wochen lang herrschte, ist nur noch Zweitbester.

Verlierer Sampras, nun Listendritter, zeigte trotz der Enttäuschung Klasse. Er ließ sich nicht mitreißen vom fanatischen US-Publikum, welches wenig feinfühlig jeden Fehler Edbergs frenetisch bejubelte. Allerdings ist der Amerikaner ohnehin kein Mensch, der Feuerwerke des Temperaments abzufackeln pflegt. Leicht bucklig schlurft er über den Court, läßt entrückt den Mund offen stehen und die Unterlippe hängen. „Manchmal bin ich einfach zu relaxed“, sagt Sampras über Sampras. „Stefan“, analysierte der Verlierer, „hat die wichtigen Punkte gemacht.“ Tatsächlich zeigte der Schwede einmal mehr Serve-and-Volley-Spiel in Perfektion. Nur den ersten Satz gab er an den Amerikaner ab, des Adrenalins wegen.

Nach 2:51 Stunden verwandelte er den ersten Matchball. „Das ist wirklich eine kleine Überraschung. Ich muß das wirklich sagen. Es ist prima, wenn man einen Grand-Slam- Titel verteidigen kann. Nicht viele Spieler schaffen das“, staunte der Schwede über sich selber.

Edberg hat nun bis auf Paris die anderen drei Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Wimbledon und nun auch in New York je zweimal gewonnen. „Im nächsten Jahr“, so sagt er, „will ich versuchen, die French Open zu gewinnen.“ miß

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