: Eltern boykottieren für ihre Kinder
■ Drei Tage Schulboykott in der Schmidtstraße/ Eltern fordern: „Junkies weg vom Schulhof"
„Spielplatz für Kinder bis zu 14 Jahren“ steht im Hof der Grundschule an der Schmidtstraße. Doch als Spielplatz ist dieser Schulhof schon lange nicht mehr geeignet, finden die Eltern: Junkies hinterlassen dort ihre Spritzen, blutigen Binden und Kondome, und ein achtjähriges Kind sei auf dem Schulweg von einem Dealer angesprochen worden, ob es Stoff haben wollte. Als dann noch die Molkerei ihre Schulmilchlieferungen einstellte, weil sie es „ihren Leuten nicht mehr zumuten konnte, den Schulhof zu betreten, da ist uns der Kragen geplatzt“, sagt die Elternvorsitzende Helga Baasen: die Elternversammlung rief zum Schulboykott auf.
Drei Tage schulfrei bedeutet der einstimmige Elternbeschluß für die rund 200 Schulkinder in der Schmidtstraße. Statt Unterricht rückten Eltern und Sprößlinge am Dienstag mit Transparenten an: „Schmutz-Stop — jetzt Boykott“ und „Henning, tu was“, forderten sie. Und während die Eltern diskutierten und protestierten, tobten die Kleinen ausgelassen über den Schulhof — bis sie in den Hort gebracht wurden. „Wir haben Angst vor den Drogis“, sagen drei Viertklässlerinnen. „Man kann denen ja auch gar nicht ausweichen, die sind überall. Verstecken können wir auch nicht mehr spielen, weil im Gebüsch Drogen, Scheiße und Spritzen sind.“ Manche Parolen, die einige Kinder rufen, wirken auswendig gelernt: „Den Schulhof den Kindern!“
Mit einem Brief hatte Bildungssenator Henning Scherf noch in letzter Minute versucht, die aufgebrachten Eltern zu beschwichtigen und sie gebeten, von ihrer Protestaktion Abstand zu nehmen. Der Hausmeister werde ab sofort bis 18.30 Uhr ständig anwesend sein, kündigte der Senator an. Außerdem soll noch in dieser Woche ein Bauzaun hinter dem Schulhof errichtet werden, um die Junkies vom Schulhof fernzuhalten. Die höchstsenatörliche Intervention fruchtete wenig. „Was kann man dem Scherf denn noch glauben? Kein Termin, den der uns versprochen hat, ist bisher eingehalten worden“, sagt eine Mutter. „Hätten die heute morgen angefangen, den Zaun aufzubauen, wäre der Boykott ausgefallen.“
Einigen versammelten Müttern und wenigen Vätern ist „auch klar, daß wir mit diesen Forderungen keine Drogenpolitik machen“. Auch die Eltern seien sich nicht einig, ob Protestform und Parolen richtig gewählt sind. MitarbeiterInnen des Arbeitskreises Kommunale Drogenpolitik diskutieren, über einen niedrigen Zaun vor dem Schulhof hinweg, mit den aufgebrachten Eltern: „Mit Parolen wie 'Hände weg von unseren Kinder' macht ihr Stimmung“, sagt Birgit Stien.
Doch die Worte Akzeptanz und Toleranz mag eine Mutter nicht mehr hören. „Nur mit dieser Akzeptanz- und Toleranzpolitik sind wir soweit gekommen, wie wir heute sind.“ Die Kinder, so einige Mütter, hätten schon Angst, über die Sielwallkreuzung zu gehen.
Weitere Aktionen der Eltern können folgen. Eine Mutter: „Ab Donnerstag ist alles möglich. Wir möchten einen sichtbaren Erfolg.“ dir
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