: Dummlaberndes Milchgesicht
■ »The Hours and Times«: ein Film über John Lennon und Brian Epstein von Christopher Münch im Kreuzberger Kino fsk
Ende April des Jahres 1963 verbrachten John Lennon und Brian Epstein, der Manager der Beatles, einige Tage in Spanien. Die Beziehung der beiden war eine von Mythen und Vermutungen umrankte. Hauptpunkt der Spekulationen war die Tatsache, daß der schwule Epstein in Lennon verliebt war und nie wirklich geklärt wurde, ob die beiden nun eine sexuelle Beziehung hatten oder nicht.
Der amerikanische Filmemacher Christopher Münch nahm diesen Wochenendtrip nach Barcelona zum Anlaß für »The Hours and Times«, einer fiktiven Geschichte, die sich aus einigen wenigen, historisch verbürgten Daten entwickelt. Vor allem das Bild, das er von Lennon (Ian Hart) entwirft, ist gespickt mit Klischees. Er läßt ihn Dinge sagen, die aus Songtexten der psychedelischen Phase der Beatles stammen könnten: »Ich träumte, ich sei ein Zirkusclown in einem Unterwasserzirkus«. Penetrant muß Lennon den Frauen nachstellen. Münch läßt ihn mosern und rüpeln, ganz das klassische juvenile Rebellentum mimen. Anscheinend war Lennon nur ein rotzlöffeliges Milchgesicht, ständig kaugummikauend, mürrisch durch die Nickelbrille starrend und dummlabernd.
Das eigentliche Thema des Films ist die Beziehung zu Brian Epstein (David Angus). Während ein Gaudi- Bau nach dem anderen signalisiert »Obacht, wir sind in Barcelona«, läßt Lennon ständig Anspielungen fallen, weigert sich aber, mit Epstein ins Bett zu gehen. Als niemand mehr damit rechnet, läßt er dann doch die Hosen runter, lockt Epstein in die Wanne, um sofort wieder aus ihr zu flüchten und den Manager frustriert zurückzulassen. Auch hier hält sich der Film nicht an die Historie, denn glaubt man der Lennon-Biographie von Albert Goldman, begann das, sich über mehrere Jahre hinziehende, sexuelle Verhältnis der beiden just in jenem Kurzurlaub. Im Film vergnügt sich Lennon statt dessen mit einem weiblichen Fan.
Leider merkt man dem Film an, daß er in nur vier Tagen gedreht wurde, nach einem Drehbuch, auf das sogar nur zwei Tage verwandt wurden. Leidlich verbunden durch Postkartenansichten von Barcelona entwickelt sich keine Geschichte, auch kaum Spannung zwischen den Protagonisten. Die gegenseitige Faszination der beiden ist einfach da, nicht erklärlich. Kleine, belanglose Geschichten werden erzählt, Anekdoten, die es eigentlich nicht wert sind. Von vornherein fiktiv will »The Hours and Times« kein Film über einen Teil der Geschichte der Beatles sein. Als Schwulenfilm ist er ärgerlich, denn er entwickelt das Klischee vom Homosexuellen als penetrant leidendes Geschöpf, das sich jungen pickligen Männern anbietet, von ihnen abgewiesen wird und deshalb zu bedauern ist. Thomas Winkler
The Hours and Times , USA 1991, ab 17.9. um 22 Uhr im fsk, Wiener Straße 20, Kreuzberg
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