Ein riesiges Elend

■ Nichttypisches Hinspiel der ersten UEFA-Cup-Runde: Der 1. FC Köln besiegte Celtic Glasgow mit 2:0

Köln (taz) — Der Europapokal ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Früher fanden seine Spiele zu einem einheitlichen, rituellen Termin statt, am Mittwochabend, Anstoß 20 Uhr. Heute, in den Zeiten, in denen die unerträgliche Allmacht des unerträglichen Privatfernsehens ihr Unwesen im Fußball treibt, wird der aktive Fußballfan, derjenige also, der immer noch ins Stadion geht, anstatt gemütlich die Beine hochzulegen, zu einer großangelegten Bewußtseins-Umschulung genötigt: Der Fußball ist durch die Ware Fußball ersetzt worden, die immer höher gehandelt wird, wobei bewußt im dunkeln gehalten wird, ob ihr Wert tatsächlich auch mitgeklettert ist.

So kommt es, daß finanziell arg gebeutelte Vereine, wie beispielsweise der 1. FC Köln (etwa 8 Millionen DM Verbindlichkeiten), sich gezwungen sehen, Mannschaften und Zuschauer bereits am späten Dienstag nachmittag zum Europacup im Müngersdorfer Stadion antanzen zu lassen. Denn schließlich zahlt Herr Beckmann gutes Geld. Neue Anstoßzeit: 18 Uhr. Live-Übertragung auf Sat.1, mein Name ist Holsten, ich weiß von nichts.

Erstaunlich immerhin, daß dennoch 26.000 Unverdrossene den Weg ins Stadion fanden, darunter die trinkfreudigen Celtic-Supporter, von denen viele noch unmittelbar vor Betreten der Arena, kaum noch stehen könnend, den letzten Rest aus ihrer Whiskeyflasche lutschten. Sie werden einzig ihren Rausch genossen haben, denn das Spiel war ein riesiges Elend.

Celtics Manager, der ehemalige irische Nationalspieler Liam Brady, hatte bereits vor der Partie verraten, daß er sein Team sehr diszipliniert und gut gestaffelt in das Spiel schicken werde. Aus diesen Worten erahnten die alten Freunde des Mittwochs bereits, daß alles nur auf eines jener klassischen Europacup-Hinspiele hinauslaufen konnte: Die Heimmannschaft berennt ohne Unterlaß das gegnerische Tor, während die Gäste in trauter Versammlung am eigenen Strafraum ihrer Konterchancen harren. Falsch gewußt.

Zwar stürmten die Kölner, schließlich hatte sie der Beckmann ja dafür bezahlt, aber eben nicht so richtig. Um ehrlich zu sein, sie konnten es wohl einfach nicht besser, die Mannschaft ist schließlich nicht umsonst Tabellenletzter der Bundesliga. Celtic, immerhin Vierter der schottischen Premier League, versuchte sich im Einnehmen der ursprünglich vorgesehenen Rolle. Sie traten, wie versprochen, gut gestaffelt in britischer, statischer Reihenformation auf (vier hinten, vier in der Mitte und zwei vorne), brachten aber keinen einzigen Konter zuwege.

Gegen 18.25 Uhr durften die Holsten-Brüder ihr erstes Tor am Dienstag nachmittag vermelden. Jan Jensen hatte das Loch in der Celtic-Abwehr entdeckt und war hineingesprungen. Gerade rechtzeitig, um den Eckball von Ordenewitz ins Tor zu köpfen. Und acht Minuten vor Schluß fiel eben jenem Ordenewitz im Müngersdorfer Stadion eine Steinmannflanke eher beiläufig auf den Kopf und von dort ins Tor. Der 2:0-Sieg kann dem FC den Einzug in die nächste, hoffentlich holstenfreie Runde bringen. Seinen in Abschußposition geratenen Trainer Jörg Berger hat der Erfolg erst einmal gerettet. Allerdings wohl nur bis zum nächsten Samstag. Dann kommt Vizemeister Borussia Dortmund. Thomas Lötz

Celtic Glasgow: Marshall - Boyd, Mowbray, Gillespie, Wdowczyk - O'Neil (77. Grant), Galloway, McStay, Collins - Slater (77. Nicholas), Creaney

Zuschauer: 26.000; Tore: 1:0 Jensen (24.), 2:0 Ordenewitz (82.)

1. FC Köln: Illgner - Jensen - Baumann, Higl - Rudy, Steinmann, Littbarski, Flick, Heldt (89. Weiser) - Lehmann (87. Sturm), Ordenewitz