piwik no script img

Restjugoslavische Bohnensuppe

■ Pazifistische Gedanken vor Karstadts Konservenregal

Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Gelegentlich auch der Vater fruchtbarer Denkprozesse. „Schau mal“, stupst mich Susie in der Lebensmittelabteilung von Karstadt in die Seite, „Serbische Bohnensuppe“. Und sieht mich erwartungsvoll an. Aber so schnell fällt mir zur Serbischen Bohnensuppe nichts ein. Denn in Gedanken war ich schon in der Ravioli-Abteilung.

„Mensch“, sagt Susie, „überleg doch mal. Serbien. Bumbum.“ Ach so. Bei genauem Hinsehen fällt auf, daß der Mexikanische Feuertopf im Fertigsuppenregal bis auf eine Dose verkauft ist. Nur die Serbische, mir aus finanzschwachen Tagen durchaus als schmackhaft und bekömmlich bekannt, drückt durch ihr aufgetürmtes Dosendasein Nachfrageschwäche aus.

Kein Wunder eigentlich. Vielleicht sogar gerecht: Wer Krieg anzettelt, dessen Suppe bleibt unausgelöffelt. Südafrikanische Südfrüchte waren ja eine Zeit lang auch mit dem Ruch der Apartheit vergällt und wurden mit dem taktischen Begriff „Outspan“ versehen. Aber immerhin könnte man ja nun aus Gründen geographischer Präzision das kriegstreiberische Fertiggericht „Restjugoslawische Bohnensuppe“ nennen. Blauhelmtruppen müßten in deutschen Kaufläden ausschwärmen und unter Androhung von Suppen-Konfiszierung die Etiketten überkleben. Sogar die Bundeswehr darf das. Legaler Kriseneinsatz. (Zwischenruf Engholm: „Sehr gut!“)

Blauhelmtruppen müßten in deutschen Lebensmittelläden ausschwärmen

Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann könnte durch verschärfte Maßnahmen in das Kriegsgeschehen am Balkan eingreifen: „Friedliebende Deutsche! Meidet die Speisen des Aggressors!“ So und nicht anders müßte er sich mahnend an das Volk wenden. Serbisches Reisfleisch! Eine Herausforderung für jeden Pazifisten. Die Unterwanderung der deutschen Gaumen durch Herrn Milosevic hätte ein Ende. „Reisfleisch des himmlischen Friedens“ - so müßte es heißen. Und der serbische Räuberspieß — na, für den findet sich auch noch etwas. Vielleicht: „Waffenstillstands-Grill“.

Tief in derart aufrührerische Gedanken versunken, stehe ich vor Karstadts Konservenregal. Wo ist Susie? Sie gestikuliert am Käsestand. Ein schöner französischer Camenbert soll es sein: „Der da.“ „Hör mal“, sag ich zur Susie, „die Franzosen mit ihren Atombombenversuchen ... die haben doch das Greenpeace- Schiff angegriffen. Und die Serben mit ihrer Bohnensuppe, das ist doch..., also ich weiß nicht.“

Schon ist der Camenbert eingetütet. Und wird in den Einkaufswagen geworfen. „Ich hab das ja nur mal so angesprochen mit der serbischen Bohnensuppe“, sagt Susie beschwichtigend. „Weil es gerade aktuell ist.“ Tja.

An der Kasse. Ein letzter Blick zurück zum Konservenregal. Verschmäht, aber aufrecht stehen die Suppendosen. Der Krieg ist eben der Vater der Dinge. Und er macht auch vor der Lebensmittelabteilung von Karstadt nicht halt.

Lutz G. Wetzel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen