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Marinemaler, Kristalliker

■ Lyonel Feiningers Bilder von der Ostseeküste in der Kunsthalle Bremen

düstere

Zeichnung

Einer von Feiningers düsteren Drucken: Zirchow VII a, 1915

„Manchmal hasse und verachte ich die Natur! Ich finde meine Bilder viel besser.“ Hinter diesem trotzigen Satz Lyonel Feiningers von 1910 steckt ein lebenslanger Konflikt, eine lebenslange Auseinandersetzung mit Natur, sprich Landschaft, oder noch genauer: mit der wunderschönen Projektionsfläche der deutschen Romantiker, der Ostseeküste. Der 1871 in New York geborenen Sohn einer Sängerin und eines Geigers geriet während einer Tournee seiner Eltern nach Deutschland, wo er blieb, bis die Nazis den „Entarteten“ aus dem Land trieben. Zu den aufregenden Arbeiten, die die Kunsthalle Bremen jetzt zeigt, konnte es al

lerdings erst kommen, nachdem Feininger 1911 in Paris mit dem Kubismus in Berührung gekommen war. Hier eröffneten sich ihm Möglichkeiten, der „Mystik des Gegenständlichen“ beizukommen, ihnen ihre Aura zu entreißen.

Die Plätze, die Feininger liebte, hatten so geheimnisvolle Namen wie die Objekte, die ihn interessierten. Desolate Windmühlen in Swinemünde, mittelalterliche Gemäuer in Treptow oder Sonnenuntergänge in Deep. Nicht um das Ding, sondern um eine Vision des Dings ging es Feininger, und der spätere Bauhaus- Lehrer fand eine Technik für sein Bedürfnis: Er wurde „Kristalliker“. Die Farben und Flächen in seinen Bildern wirken wie prismatisch gebrochen, eine lichte Atmosphäre weht, bewegte Luft wird sichtbar.

Die Ausstellung, die — inclusive des opulenten und instruktiven Katalogs (32.-) — zusammen mit dem Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg konzipiert wurde, zeigt erstmals den im OEuvre Feiningers wichtigen Themenkomplex „Ostsee“. Zu diesem Zweck mußten viele der etwa 170 Aquarelle, Zeichnungen, Lithos, Radierungen und Holzschnitte von Übersee herbeigeschaffte werden, aus amerikanischen Privatsammlungen und Museen. Die frühesten Werke stammen noch aus dem letzten Jahrhundert, die jüngsten aus den 50ern (Feininger starb '56 in New York).

Quer zu Feiningers lichten Kristallbildern stehen düstere Drucke: Bevor der Künstler ans Malen dachte, beschäftigte er sich mit Druckgrafik. Die Kunsthalle zeigt eine große Menge solcher Drucke, die oft frappierend an zeitgenössische Stummfilme erinnern, etwa an sie Kulisse eines „Dr.Caligari“. Ein Grund für Feiningers Faible für die Küste ist sicher sein Interesse an Schiffen. In seiner Jugend waren gerade die Ozeanüberquerungen mit Schnelldampfern aktuell, gigantische Segler versuchten sich zu behaupten, man begeisterte sich für Regatten wie den America- Cup. Selber gern an Bord, ist er auch als Marinemaler zu bezeichnen. Hierbei versuchte er sich sowohl an akribischen Schiffsporträts als auch an der Darstellungen des Schiffs als Symbol für das Bedeutungsfeld Fern- und Heimweh, für Ver- und Entwurzelung.

Ruinen, Schiffe, gotische Kirchen, Stimmungen am Wasser: stärker als seine Freunde von der „Brücke“ war Lyonel Feininger Romantiker, dem es aber gelang, seinen Gefühlen einen erstaunlich geschlossenen Ausdruck zu geben. Wie Feininger zu seinem sicheren Stil fand, ist in der überwiegend chronolgisch gehängten Austellung in Bremen sehr schön zu sehen. Bus

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