: »Der Bezirk handelt wie ein Spekulant«
■ In Tempelhof unterstützt das Bezirksamt die Räumungsklage gegen eine Mieterin/ Hausbesitzer will an den Senat verkaufen/ Landgericht bestätigt Räumung/ 185.000 Mark umsonst investiert?
Tempelhof. Beatrice Laufer ist stinksauer. Zum 30. September soll sie die Koffer gepackt haben. Privatbesitzer Heinz-Günter Weckwerth aus Frankfurt/Main hat vor Gericht die Räumung durchgesetzt. Weckwerth will verkaufen. An den Senat. Der wiederum will nur kaufen, wenn das Grundstück »unbelastet«, das heißt ohne Mietverhältnis ist und unterstützt deshalb die Räumungsklage des Privateigentümers. »Die Behörden verhalten sich nicht anders als jeder normale Immobilienhai«, ärgert sich Beatrice Laufer. Der zweigeschossige Gründerzeitbau stand drei Jahre leer, bevor sie ihn im Februar 1989 angemietet hatte. »Das Haus war völlig runter«, berichtet sie und dokumentiert das »Vorher/Nachher« mit zahlreichen Fotos. Nach Berlin kam Beatrice Laufer, »weil der Senat seinerzeit händeringend um Junginvestoren gebettelt hat«. In Keller und Erdgeschoß des Gebäudes betreibt die Jung-Berlinerin eine SchriftZeichen/CAD GmbH, eine Firma mit inzwischen sechs MitarbeiterInnen, die sich auf Werbetechnik und Schaufenstergestaltung spezialisiert und ihre Kunden vorwiegend in Tempelhof hat. Mit ihrem Lebensgefährten wohnt sie im ersten Stock. »Das Gebäude wurde damals vom Erben der Altbesitzerin angeboten«, berichtet er. Auf den gewünschten Abschluß per Handschlag wollte man sich allerdings nicht einlassen. Doch die Zeit drängte. Die EDV-Anlage war bestellt, mit der Instandsetzung des Gebäudes begonnen worden. Es kam, wie es kommen mußte: »Heinz-Günter Weckwerth bestand plötzlich auf einem Vertrag ohne festgelegte Laufzeit und einer Kündigungsfrist von einem Monat.« Die Folge: Bis heute kam es zu keinem Vertragsabschluß.
Ärger über die eigene Gutgläubigkeit
Beatrice Laufer, die sich im nachhinein über ihre Gutgläubigkeit »totärgern« könnte, hatte inzwischen 185.000 DM in die Renovierung gesteckt, als es im vergangenen Jahr dann Schlag auf Schlag ging. Das Bezirksamt Tempelhof meldete Anspruch auf das Grundstück an, weil die benachbarte Askanische Oberschule nur so einen lange geplanten Turnhallenbau realisieren könne. Ein Argument, das Beatrice Laufer nicht gelten läßt: »Hinter der Schule befindet sich ein großes, ungenutztes Freigelände. Warum nimmt man das nicht für die Turnhalle?« Die Mieterin hat mittlerweile den Eindruck gewonnen, daß es sich zwischen Bezirk und Privateigentümer um ein »abgekartetes Spiel« handelt. Grund für die Annahme ist ein Schreiben des Bezirksamtes vom 26.9. 1992, in dem den Anwälten Weckwerths das Interesse am Kauf des Grundstücks mitgeteilt wird: »Abschließend weisen wir Sie darauf hin, daß Sie die uneingeschränkte Unterstützung des Landes Berlin bei der Räumung des Grundstücks in Anspruch nehmen können.« Zwar befand das Amtsgericht Kreuzberg/Tempelhof inzwischen, daß im vorliegenden Fall ein faktisches und damit rechtskräftiges Mietverhältnis vorliege und wies die Räumungsklage ab, doch das Landgericht Berlin gab Weckwerth in zweiter Instanz recht. »Und dies, obwohl der Kläger zu keiner Zeit im Grundbuch eingetragen war.« Man merkt ihr ihren Ärger an. »Wir wissen wirklich nicht mehr, was wir tun sollen.«
Beatrice Laufer, die in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde wegen des fehlenden Grundbucheintrags eingereicht hat, wäre schon mit einer Zwischennutzung bis zum Baubeginn der Turnhalle 1995 zufrieden. Doch im Bezirksamt winkt man ab: »Zwischennutzung? Ich weiß nicht, was Sie meinen«, erklärte Wirtschaftsstadtrat Tobisch (SPD) auf Nachfrage und fährt fort: »Wissen Sie, das ist wie mit einer Eigentumswohnung. Wer eine vermietete kauft, kann eben nicht schalten und walten, wie er will.« Bis zum Baubeginn der Turnhalle soll nach Angaben des Stadtrats das Bezirksamt Tempelhof die Räume nutzen. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen