: Position eines grün-liberalen Wohlstandsbobbele
■ betr.: "Verteidigung der Republik", taz vom 11.9.92
betr.: „Verteidigung der Republik“, Gastkommentar von Reinhard Mohr, taz vom 11.9.92
[...] Wenn ich Reinhard Mohrs Fragmente richtig sedimentiere, dann vertritt er die Positionen eines grün- liberalen Wohlstandsbobbele, der darüber wehklagt, daß die Idylle der achtziger Jahre (er beschränkt sich offensichtlich auf Deutschland und vergleichbare Länder) durch den „archaischen Rassismus“ hinweggefegt worden sei.
Den Rechten wirft er u.a. vor, „die Änderung des Grundgesetzartikels 16 als Fetisch der Befreiung von der ,Asylantenschwemme‘“ zu betrachten, obwohl doch „eine Dreiteilung in Asylsuchende, Kriegsflüchtlinge und Einwanderer“ zur Begrenzung der Immigration realistischer und zweckmäßiger sei. An der Linken kritisiert er, daß sie „nicht über das Offensichtliche reden will — daß es tatsächlich Grenzen der Zumutbarkeit gibt“ und kreidet ihnen „Bimbophilie und dümmliche Inländerfeindlichkeit, ,Alle Grenzen offen‘ und ,Nazis raus!‘“ an. Was die Parole „Nazis raus!“ angeht, so mag sie unausgegoren sein oder nicht, meist ist sie als ironisierende Antwort auf „Ausländer raus!“ gemeint. Ihre Umsetzung wäre jedoch kein Akt von „dümmlicher Inländerfeindlichkeit“ (es heißt ja nicht „Alle Deutschen raus!“). Im Gegenteil: die Abschiebung Zehntausender von Neonazis wäre tatsächlich ausländerfeindlich, nämlich gegen die Bewohner der Aufnahmeländer, die diese Früchtchen dann zu verdauen hätten, gerichtet. Mir persönlich sind jedenfalls Jugendliche mit möglicherweise unausgegorenen Parolen und möglicherweise massenfeindlichem Outfit, die sich schützend vor das Asylheim in Quedlinburg stellen, lieber als Leute die „aller medialer Abgebrühtheit zum Trotz... sprach- und ratlos“ vor der Flimmerkiste sitzen bleiben.
Die „Grenzen der Zumutbarkeit“ bezieht Mohr nicht auf seine herabwürdigende Wortwahl („Bimbophilie, „in Büsche pinkelnde und klauende Asylbewerber“) — so kann unser Bub eine Überdosis moralinsauren Konfirmandenunterrichts gewiß nicht bewältigen —, sondern auf die Immigranten, „deren Zahl“ angeblich „begrenzt werden“ muß. Daß es nicht um Gnade, pauschale emotionale Zuneigung oder Abneigung, sondern um gleiches Recht für In- und Ausländer geht, hat er nicht emulgiert. Herr Mohr scheint wohl der Meinung zu sein, daß Deutsche wertvoller als andere Menschen seien, ihnen ein besonderer Platz im Weltmarkt zustehen, Arbeitslosigkeit in bestimmten Ländern konzentriert bleiben müsse usw. Amelie Müller, Bielefeld
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