Thailand vor der Regierungsbildung

Bangkok/Berlin (AFP/taz) — Vier Monate nach dem Massaker vom Mai ist am Montag in Bangkok das neugewählte Parlament eröffnet worden. Für die zur ersten Sitzung erschienenen Abgeordneten begann ihre Amtszeit mit einer Ermahnung durch den thailändischen König Bhumipol Adulyadej. Jedes „individuelle Vorgehen“ habe „direkten Einfluß auf die Stabilität der Nation und das Wohlergehen der Bevölkerung“, sagte der 64jährige König. Seine Worte bezogen sich wohl auch darauf, daß in der Vergangenheit nicht wenige Politiker während ihrer Amtsperiode „ungewöhnlich reich“ geworden sind.

Am Dienstag wählten die Abgeordneten den Vize-Vorsitzenden der Demokratischen Partei (DP), Marut Bunnang, zu ihrem Parlamentspräsidenten. Die DP war als stärkste Fraktion der aus vier Parteien bestehenden armeekritischen Allianz hervorgegangen, die bei den Parlamentswahlen vom 13.September eine knappe Stimmenmehrheit erzielten. In der vergangenen Woche beschlossen sie, gemeinsam mit der militärnahen „Social Action Party“ (SAP) eine Regierung zu bilden, die sich auf 207 von 360 Sitzen im Parlament stützen kann.

Der Parlamentssprecher wird den Führer der Demokratischen Partei, Chuan Leekpai, dem König als Regierungschef vorschlagen. Chuan wird seit zwei Jahrzehnten der erste gewählte Ministerpräsident sein, der nicht aus den Reihen des Militärs kommt. Der 54jährige Anwalt Chuan hatte sich durch seine vorsichtig militärkritische Haltung im Wahlkampf hervorgetan. „Kompromißfähigkeit“ gilt als eine seiner Qualitäten, die sich in wohl in Zukunft auch in der Zusammenarbeit mit der „Social Action Party“ erneut beweisen wird.

Wie aus Koalitionskreisen mitgeteilt wurde, einigten sich die zukünftigen Regierungsparteien bereits auf die Aufteilung der Kabinettsposten, ohne jedoch schon die zukünftigen Minister zu bestimmen.

Im Frühjahr 1991 hatte das Militär die gewählte Regierung unter Ministerpräsident Chatichai Choonhavan in einem unblutigen Putsch gestürzt. Danach war Thailand 13 Monate von einer Militärjunta regiert worden. Im Mai hatten oppositionelle Massenproteste gegen die Regierung von General Suchinda Kraprayoon begonnen, die zu dessen Entlassung durch den König führten. Jutta Lietsch