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Angolas Frieden läßt auf sich warten

Eine Woche vor den ersten freien Wahlen in Angolas Geschichte hat der Friedensprozeß seine Ziele nicht erreicht/ Schleppende Demobilisierung mit US-Hilfe/ „Nicht weniger gefährlich als Bosnien“  ■ Aus Luanda Theo Pischke

Kaum hat die US-amerikanische Transportmaschine vom Typ Herkules auf der Landepiste aufgesetzt, stürmt schon ein Schwarm Kinder hinterher. Das Flugzeug rast über die Rollbahn; bald sind die Kinder in einer Staubwolke verschwunden. Am Ende der Piste von Mbanza Congo, Hauptstadt der angolanischen Provinz Zaire, kommt die Maschine zum Stehen, die Ladeklappe geht herunter, das Heck öffnet sich.

Am Rande des Rollfelds warten 104 Soldaten der angolanischen Regierungspartei MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas). Sie tragen Zivil und sind mit Taschen, Tüten und Körben bepackt. Es geht nach Hause. Der Krieg ist lange aus, da die einst marxistische MPLA mit der rechtsgerichteten Rebellenbewegung UNITA (Nationale Bewegung für die völlige Unabhängigkeit Angolas) am 31.Mai 1991 ein Friedensabkommen schloß, wodurch ein sechzehnjähriger blutiger Bürgerkrieg beendet wurde. Bestandteil des Abkommens war die Auflösung der Armeen von MPLA und UNITA. Die künftige nationale Armee soll 40.000 Heeressoldaten enthalten, die je zur Hälfte von MPLA und UNITA gestellt werden. Hinzu kommen 10.000 Luftwaffen- und Marinesoldaten, die nur aus der MPLA- Armee rekrutiert werden, da die UNITA nicht über solche Einheiten verfügt.

Doch eine Woche vor den ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die am 29. und 30.September stattfinden sollen, sind die beiden einstigen Bürgerkriegsparteien noch bis an die Zähne bewaffnet. Obwohl die Demobilisierung ihrer Truppen laut Abkommen am 1.August abgeschlossen sein sollte, waren nach UNO-Angaben bis Anfang September erst knapp 55.000 der 110.000 Regierungssoldaten demobilisiert. Lediglich knapp 7.500 der über 30.000 UNITA- Kämpfer seien aus dem Dienst mit Waffe entlassen worden.

Im Friedensabkommen ist vorgesehen, daß sich die Soldaten von MPLA und UNITA im ganzen Land in Camps sammeln und unter Aufsicht von insgesamt 350 UNO-Beobachtern in ihre Heimatorte zurückkehren. Auch in Mbanza Congo beobachten die UNO-Militärs, wie demobilisierte Soldaten an Bord der Herkules gehen. Ferner werden sie von MPLA- und UNITA-Soldaten gezählt.

Hilfe beim Transport in die Heimat leisten drei Flugzeuge der US- Luftwaffe, die sonst in Frankfurt/ Main stationiert sind und noch vor wenigen Wochen bei den Hilfsflügen für die bosnische Hauptstadt Sarajevo im Einsatz waren. „Unsere Mission in Angola ist nicht weniger gefährlich als in Bosnien“, sagt Co-Pilot Kevin Kelley. „Die schlechten Landepisten der Provinzstädte machen Start und Landung manchmal zum halsbrecherischen Abenteuer.“ Wie in Bosnien erhalten die US-Soldaten deshalb eine Gefahrenzulage von 150 Dollar im Monat.

Seit dem 11.August haben die Herkules-Maschinen etwa 7.000 ehemalige Soldaten beider Bürgerkriegsparteien in ihre Heimatorte geflogen. Die Reintegration der Kämpfer ins Zivilleben gestaltet sich jedoch schwierig — häufig haben sie nichts anderes gelernt als Schießen, was ihre Zuversicht aber nicht mindert. Der dreißigjährige Luis, der in Mbanza Congo an Bord geht, ist acht Jahre lang Soldat gewesen. Er freut sich auf die Rückkehr in die Heimatprovinz Cuene. „Dort will ich arbeiten“, sagt er. „Arbeiten für den Aufbau unseres Landes.“

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