: Spanische Rührung Deutsches Schweigen
■ Mario Benedetti / Uruguay las im „Valparaiso“
Waren sie eigentlich zu bemitleiden, alle diejenigen, die das schöne Spanisch des uruguayischen Autors Mario Benedetti am Mittwoch im Cafe „Valparaiso“ nicht verstanden? Unaufdringlich und doch verführerisch klang die spanische Sprachmelodie von Benedettis Gedichten und seiner Kurzprosa — ein Geheimnis. Die leichte Stimme des zarten, klugen, alten Mannes ließ viel Raum für Phantasien über den Inhalt der Texte. Manchmal fiel ein Wort heraus: „Corazon“, „te quiero“, „absolutamente“. Schön.
Die vielen spanischen und lateinamerikanischen Menschen unter dem zahlreichen Publikum lachten leise begeistert und manchmal laut heraus. Es gab Zwischenapplaus und reichlich Beifall nach fast allen Texten, und jede Menge zustimmender Gesten. Mario Benedetti, einer der bekanntesten Dichter, Schriftsteller und Essayisten Uruguays, ist ein poetisch-politischer Autor, mit ironisch-weisem Blick auf die Welt. Seine Gedichte wurden von dem Gitaristen Alberto Favero vertont, seine insgesamt 52 Bücher, darunter viele Romane, erreichen weltweit hohe Auflagen. Benedetti bezahlte seine politische Unbestechlichkeit mit elf Jahren Exil in Argentinien, Cuba, Peru und Spanien. Im Bremer Cafe „Valparaiso“ war sein Empfang geradezu heimatlich.
Natürlich wurden Benedettis Texte auch auf Deutsch gelesen (vom engagierten Übersetzer Reiner Kornberger). Und wie seltsam — so groß die Rührung gewesen war, wenn er selber gelesen hatte, so schweigsam blieb das Publikum nach den deutschen Versionen. Eine geheimnisvolle Grenze zwischen dem Spanischen und dem Deutschen schien unüberbrückbar. Die Ironie mancher Gedichte, die der lesende Benedetti überspielte, blieb in der deutschen Fassung eindeutig kühl. Die Erzählung vom naiven Wahrsager, der gleichmütig und zur Bewunderung der Freunde sein eigenes Unglück vorhersagt, war von einer schlichten Gekonntheit, sicher. Die Geschichte von den Liebenden, die um den heißen Brei herumphilosophieren, um desto gewisser im Bett zu landen, hatte einen netten, bekannten Zynismus.
Sie sind eben doch zu beneiden, diejenigen, die das schöne Spanisch verstehen können.
Cornelia Kurth
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