: Felder, Wellen und Hühnereier
Köln (taz) — Wirkliche Betroffenheit zeigen die Teilnehmer des Kongresses „Brennpunkt Elektrosmog“ kaum, als die einzige Referentin von ihren Gefühlen redet. Gefühlen der Angst gegenüber ungreifbaren Strahlen, unfühlbaren elektrischen und magnetischen Feldern. Die Mehrzahl der anwesenden Firmenrepräsentanten blickt verstört umher, hat sich die Dame im Saal geirrt? Es soll doch bitteschön um Sachfragen gehen, wird sie etwas später vom Moderator zurechtgewiesen. Drei Tage lang hat sich in dieser Woche in Köln alles zusammengefunden, was auf dem Gebiet des Elektrosmogs, kurz Esmog, einen Namen hat. Angelika Daniel scheint in eine Löwengrube gefallen zu sein. Kaum einer der Herren ist bereit, auf die von ihr genannten, und bei einer großen Zahl von Bundesbürgen anzutreffenden Befürchtungen einzugehen. Befürchtungen gegenüber immer mehr Sendemasten, Hochspannungsleitungen und Funkverstärkern, der Sorge vor Radar, Mikrowellen und elektromagnetischen Wellen.
Die Fachleute halten zusammen. Sie kontern mit Grenzwertbestimmungen, Meßergebnissen und Verharmlosung. Außerdem reden sie am liebsten von den neuen Funknetzen. Werden sie jedoch daran erinnert, daß sich auch die Wissenschaft schon des öfteren — und manchmal gar fatal — geirrt hat, dann wird sogar zugegeben, daß auch sie noch nicht in alle Geheimnisse der bioelektrischen Wechselwirkungen zwischen Wellen und Zellen eingedrungen sind. Sie vermitteln jedoch — oder versuchen es zumindest — eine derartige Sicherheit und Zuversicht, daß man ihnen schon fast glauben möchte, alle derzeitigen Grenzwerte seien absolut sicher und unbedenklich. Doch dann hat Andras Varga seinen Auftritt.
Es ist den Veranstaltern hoch anzurechnen, einen derart berühmt-berüchtigten „Außenseiter“ eingeladen zu haben. Varga behauptet, daß einige der Strahlen und Felder tödlich sind und beweist dies durch starke elektromagnetische Bestrahlung von Hühnereiern. Ab einem bestimmten Schwellenwert sinkt die Schlupfrate auf Null! Nein, Panik machen will er auch nicht. Aber die ständige Abwiegelei und Verharmlosung erinnere doch fatal an die ersten Reaktionen auf Tschernobyl.
Das Thema Elektrosmog ist noch immer eher eine Frage als eine Antwort. Das wird auch auf diesem Kongreß klar. Sind die Beschwerden der Betroffenen, von denen einige BI- Vertreter im Publikum sitzen, reine Phantasmen? Sollte man sie, statt sie ernst zu nehmen, einfach nur mit Placebos behandeln? Ghassan Homsi
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