: „Die architektonische Kultur geht baden“
■ Aufbaustudiengang Architektur wird aus Geldmangel abgeschafft
Den Aufbaustudiengang Architektur an der Bremer Hochschule für Künste (HfK) wird es ab dem Wintersemester 1993/94 nicht mehr geben, so der Wille des Wissenschaftsressorts. „In Anbetracht der prekären Finanzsituation der Freien Hansestadt Bremen ist es nicht verantwortbar, diesen aufwendigen Aufbaustudiengang nach der Probephase auf Dauer einzurichten“, schrieb die senatorische Behörde an den HfK-Direktor Jürgen Waller.
Die zur Zeit 15 Studierenden, allesamt bereits diplomierte ArchitektInnen, sollen ihr Studium bis zum Sommersemester 1993 beenden. Den acht StudienanfängerInnen wurde vier Wochen vor Semesterbeginn mitgeteilt, daß sie nur ein auf ein Jahr verkürztes Studium absolvieren können.
Seit sechs Jahren gibt es das Aufbaustudium, das sich allerdings bis heute in einer Probephase befindet. ArchitektInnen mit abgeschlossenen Studium, das — wie das grundständige Studium an der Bremer Hochschule für Technik (HfT) — meist technisch ausgerichtet ist, konnten hier zwei Jahre lang ihr Studium zwischen Kunst und Theorie vertiefen. „Der politische Auftrag war im Grunde, internationale Architekten nach Bremen zu holen und die Stadt für sie interessant zu machen — damit man dem Mief der Provinzialität entgeht“, erklärt Prof. Uwe Süchting, einer von drei Professoren in dem kleinen Fachbereich. Falls der Studiengang wirklich gekippt werden sollte, sagt Süchting einen herben Verlust für Bremen voraus: „In Sachen Architektur gibt's hier einfach keine Kultur.“
Der Aufbaustudiengang ist so konzipiert, daß eine volle Stelle für GastprofessorInnen vorgesehen ist — Dutzende renommierter ArchitektInnen aus aller Welt kamen nach Bremen, um hier zu lehren. „Die nahmen an bremischen Wettbewerben teil — andere Städte wären froh, wenn sie solche Leute hätten“, sagt Student Peter Penner. Weder die Professoren noch die Studierenden können deshalb die Behörde verstehen: „In einem Gespräch mit einem Behördenvertreter hieß es, der Studiengang habe nicht genug Ausstrahlung und Renommee“, erzählt Prof. Süchting.
„Gerade mal eine Handvoll Absolventen hat es in den ganzen Jahren gegeben“, sagt Rainer Köttgen, Leiter der Hochschulabteilung beim Senator für Bildung und Wissenschaft. „Wir können uns diesen Studiengang einfach nicht leisten. Da gibt es drei Professoren für 15 Studenten...“ Einen Gegenpol zum Massenstudium einzurichten war 1986 politischer Wille. Köttgen: „Aber eine Mund-zu-Mund-Beatmung wollen wir nicht.“ Die Professoren argumentieren, daß die Einstellung kaum weniger Kosten verursachen wird — sie müssen an der HfT weiterbeschäftigt werden. Köttgen dagegen: „Es ist gar nicht die Frage, ob da 50.000 oder 100.000 Mark eingespart werden.“
Für Aufruhr in der HdK hat eine Meldung des Weser-Kuriers gesorgt, in der HdK-Direktor Jürgen Waller die Gründe der Behörde als „triftig“ bezeichnet hatte, „zumal man es im Studiengang weder verstanden habe, sich in der Bremer Architekturszene etwas zu verankern noch überregional Aufmerksamkeit zu erlangen.“ Das bestritt Waller gestern gegenüber der taz heftig: „Ich bin stinksauer über die Schließung, und vor der nächsten akademischen Senatssitzung sage ich gar nichts mehr!“ Susanne Kaiser
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