piwik no script img

Chaos auf dem Strahlenkongreß

■ Auf dem zweiten Weltkongreß der Strahlenopfer wurde das Programm fast stündlich umgeschrieben

Berlin. Vom sprichwörtlichen deutschen Ordnungs- und Organisationstalent haben die TeilnehmerInnen des zweiten Weltkongresses der Strahlenopfer, der in dieser Woche in Berlin stattfand, nicht viel mitbekommen: Das ausgedruckte Programm wurde täglich, manchmal stündlich umgeschrieben, die Veranstaltungen im Reichstag gestrichen oder ins Haus der Kulturen der Welt verlegt. Stefan Dömpke, der sich selbst den Titel des Generalsekretärs der Konferenz verliehen hatte, begründete das Chaos mit den geringen finanziellen Mitteln, die zur Verfügung standen. Und tatsächlich hatte sich der Berliner Senat als durchaus knauserig erwiesen; nur durch Sponsorengelder konnte die Veranstaltung überhaupt stattfinden.

Aber damit allein ist das organisatorische Desaster nicht zu erklären. Dömpke lud mehr TeilnehmerInnen ein, als der Etat zuließ — und hatte dann eine fast leere Kasse, als der Kongreß begann. So mußte das Programm immer weiter zusammengestrichen werden; viele wußten nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr, wo sie wann sprechen sollten. Eva Quistorp, Europaparlamentsabgeordnete und Vertreterin von »Frauen für Frieden«, Sebastian Pflugbeil vom Neuen Forum und Michael Roelen vom IPPNW erklärten gestern aus Protest gegen Dömpkes Gebaren ihren Austritt aus dem »Verein für eine nuklearfreie Zukunft«, den sie selbst mitgegründet hatten.

Aber der Kongreß war trotz aller organisatorischen Mängel ein Erfolg: Die TeilnehmerInnen nutzten die Wartezeiten, um sich auszutauschen. Obwohl sie aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt kamen, herrschte keine babylonische Sprachverwirrung. Ihre Erfahrung, von Informationen abgeschnitten zu sein und bei den Regierungen auf Schweigen zu stoßen, machte sie erfindungsreich.

Schnell wurden ÜbersetzerInnen organisiert — und so erfuhren der Minenarbeiter aus Südafrika, daß das von ihm geschürfte Uran nach Japan geht, und Bewohner Nordrußlands, wie sich die Verstrahlung von Rentieren auswirkt. aje

Siehe auch Seite 5

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen