„Wir haben die besseren Argumente“

■ Die GegnerInnen des Endlagers gehen zuversichtlich in das Verfahren/ ExpertInnen beider Seiten gehen davon aus, daß eines fernen Tages der radioaktive Müll wieder an die Oberfläche kommt

„Wir haben die besseren Argumente, das werden wir hier in Salzgitter öffentlich zeigen“, sagt Claus Schröder, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. 289.388 Einwendungen haben Umweltverbände, Bürgerinitiativen und die Arbeitsgemeinschaft gesammelt, zu der sich regionale Umweltgruppen, einzelne Konrad-GegnerInnen und benachbarte Kommunen zusammengeschlossen haben. Alle diese EinwenderInnen können zum Erörterungstermin Zutritt verlangen und auch einen Sachbeistand mitbringen. Doch „Masse zeigen“ will die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad erst auf einer Demonstration am 17.Oktober. Bei der Erörterung geht es „vor allem um die fachliche Auseinandersetzung“. Die „Inkompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz“ wollen die Konrad-GegnerInnen vorführen. „Schließlich“, und das ist Claus Schröder wichtig, „liegt hier die Beweislast auf seiten des Antragstellers.“

Seit 1976 wird die ehemalige Eisenerzgrube Konrad auf ihre Eignung untersucht. Im Jahre 1982 wurde das Planfeststellungsverfahren für ein Atommüllendlager eingeleitet. Die WissenschaftlerInnen im Dienste des Bundes und die kritischen ExpertInnen der Gegenseite sollen hier in Salzgitter nun noch einmal zwei Monate lang Gelegenheit zum Disput haben. 200 verschiedene Sachgebiete, die erörtert werden müssen, haben die Beamten der Genehmigungsbehörde, des niedersächsischen Umweltministeriums, aus der Masse der Einwendungen herausdestilliert. In zehn Themenblöcken sollen sie abgearbeitet werden. Die für die Eignung des Schachtes zum Endlager entscheidenden Grundfragen sind allerdings über die Jahre hinweg die gleichen geblieben.

Noch vor den Transportrisiken und der Strahlenbelastung während der Einlagerung steht für die AG Schacht Konrad die „Langzeitsicherheit des Endlagers“ an erster Stelle. Sie hängt von der Geologie ab, und die kann das Bundesamt für Strahlenschutz als einziges nicht nachbessern.

Einer der Sachbeistände der Konrad-GegnerInnen ist der Physiker Gerald Kirchner, der an der Universität Bremen das „Wanderungsverhalten von Spurenstoffen“ zu seinem Spezialgebiet erkoren hat. Für einen Zeitraum von einer bis zu 10 Millionen Jahren hat seiner Auffassung nach das Bundesamt für Strahlenschutz nachzuweisen, daß die in Konrad einzulagernden radioaktiven Stoffe keine Auswirkung auf die Umwelt haben. So lange strahlen nämlich die „Problemnuklide“ radioaktives Jod und Neptunium. Das „langlebige Zeug“ ist in den Abfällen drin, die bei der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen in Frankreich und Großbritannien anfallen und den größeren Teil der Konrad-Abfälle ausmachen.

Nur fünf Prozent Atommüll aus Forschung und Medizin soll das Endlager aufnehmen, weitere 40 Prozent sollen direkt aus den AKWs angeliefert werden. Damit ist das ehemalige Erzbergwerk für insgesamt 95 Prozent des bundesdeutschen Atommüllvolumens vorgesehen.

Selbst ethische Fragen wie die Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen werden erörtert werden. Es gilt in diesem ersten Genehmigungsverfahren für ein bundesdeutsches Endlager die Langzeitsicherheit erst einmal zu definieren. Die Reaktorsicherheitskommission, so sagt Gerald Kirchner, habe per Empfehlung den Zeitraum für Sicherheitsanalysen auf 10.000 Jahre beschränkt. Die Begründung: Nur so lange seien überhaupt gesicherte Aussagen möglich, weil man ansonsten etwa auch noch eine neue Eiszeit in Betracht ziehen müsse. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat sich an diese Empfehlung gehalten. Aber unabhängige Gutachter wie der TÜV Hannover halten dieses Abschneiden des Sicherheitszeitraumes nicht für adäquat.

Daß eines fernen Tages die radioaktiven Abfälle, die in Schacht Konrad eingelagert werden sollen, vom Grundwasserstrom wieder an die Oberfläche transportiert werden, darin sind sich alle Wissenschaftler einig. Etwa dreißig Kilometer entfernt in nordöstlicher Richtung soll der Austrittspunkt nach den Computersimulationen des Bundesamtes für Strahlenschutz liegen. Nach den Gutachten, die die hannoversche Gruppe Ökologie für die Stadt Salzgitter gefertigt hat, ist dabei ein Überschreiten der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung nicht auszuschließen. Auch nach Meinung von Gerald Kirchner konnte das Bundesamt den Nachweis der „Isolation der radioaktiven Stoffe bis zum Abklingen nicht führen“. „Für sichere Ausbreitungsrechnungen bedarf es genauer Kenntnisse des Untergrundes“, sagt er. Diese Kenntnisse stammen aus alten Bohrungen und sind äußerst lückenhaft. Wenn man nur eine nicht entdeckte, durchgehende Kluft im Gestein annehme, dann sinke der errechnete Einschlußzeitraum von 300.000 auf unter 10.000 Jahre, sagt der Physiker.

Ein weiterer Schwachpunkt im Konrad-Verfahren ist die Wiederaufarbeitung im Ausland. Hier hapert es nämlich an der Kontrolle bei der Verpackung der WAA-Abfälle. Deutsche Kontrollbeamte jedenfalls wollen die Atompartner in Frankreich und Großbritannien nicht zulassen. Doch vom Inhalt der Abfallgebinde, die in Salzgitter nicht wieder geöffnet werden können, hängt entscheidend die Sicherheit auch während der 40 Jahre ab, in denen das Lager gefüllt werden soll.

Die jährlich 2.400 Atomtransporte nach Salzgitter, die bei einer Genehmigung des Endlagers zu erwarten sind, stellen für Gerald Kirchner einen „eigenständigen Risikofaktor dar“, der in das Genehmigungsverfahren gehört. So sieht das auch das niedersächsische Umweltministerium. Klaus Töpfer hat sich zwar mit einer Diskussion der Transportrisiken in Salzgitter einverstanden erklärt. Für den Planfeststellungsbeschluß spielen diese Risiken aber seiner Auffassung nach keine Rolle, da die Transporte noch einmal gesondert vom Bundesamt für Strahlenschutz zu genehmigen sind. Die hannoversche Gruppe Ökologie hat relativ hohe Wahrscheinlichkeiten für Transportunfälle errechnet. Rein statistisch ist allein auf dem Gebiet der nahen Gemeinde Vechelde ein Unfall beim Bahntransport von Atommüll in 72 Jahren anzunehmen.

„Wenn es nach Recht und Gesetz geht und wissenschaftlich seriös verfahren wird“, sagt Claus Schröder, „dann kann am Ende des Verfahrens nur ein ablehnender Planfeststellungsbeschluß stehen.“