: Senat beschließt: Mehr Repression in der Drogenpolitik
■ Offene Szene sollzerschlagen werden / Thema Drogenstrich
Verlegung vertagt: DrogenstrichFoto: Tristan Vankann
Der Beschluß der SPD-Fraktion, den Drogenstrich in der Friesenstraße zu zerschlagen, sorgte gestern für Turbulenzen. Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Karoline Linnert, erklärte: „Der Beschluß der SPD verschlägt mir die Sprache.“ Die ersatzlose Auflösung des Striches mit Polizeigewalt würde die Verdrängung der Prostitution in andere Wohngebiete nach sich ziehen. „So ein Beschluß hilft auch den Anwohnern nicht.“ Die Grünen würden weiter am Konzept der Verlegung festhalten und haben mittlerweile vier Standort-Alternativen vorgeschlagen: Den Parkplatz am Osterdeich auf Höhe Stader Straße, den Parkplatz am Kraftwerk Hastedt, das TÜV-Gelände in Hastedt und einen Platz neben der Stephani-Brücke.
Überrascht zeigte sich der Sprecher der Wählerinitiative 'Wir im
Viertel', Stefan Schafheitlin, über den „plötzlichen Gesinnungswandel der SPD.“ „Der dumpfe Bürger hat seine Maske fallen lassen“, erklärte Schafheitlin gestern. „Wenn wir diesen Vorschlag in der letzten Woche gemacht hätten, wären wir dafür öffentlich geprügelt worden“.
Die CDU begrüßte die Entscheidung der SPD-Fraktion. Wie die sozialpolitische Sprecherin der Oppositionsfraktion, Roswitha Erlenwein, erklärte, sei eine „Verlagerung des Drogenstriches nur eine Verlagerung des Problems Drogenkonsum“. „So schlimm die Situation im Viertel ist: Sie ist auch eine Chance, weil sie den Blick für die Probleme geschärft hat.“ Die CDU-Fraktion habe einen gleichlautenden Beschluß in Vorbereitung, betonte Erlenwein.
Die FDP reagierte verhalten. Die SPD habe mit ihrem Beschluß den Boden der gemeinsamen Koalitionsrunde verlassen, urteilte der liberale Fraktionsvorsitzende Heinrich Welke. „Für uns bleibt die Beschlußlage im Senat verbindlich, worin der Innensenator aufgefordert wird, nach Alternativen für den Standort Drogenstrich zu suchen.“ Die FDP werde von sich aus keine weiteren Standorte vorschlagen. „Vielleicht kommt der Innensenator ja zu dem Ergebnis, daß eine Verlegung des Drogenstriches keinen Sinn hat“, erklärte Welke. Die FDP werde sich erst nach der abschließenden Beurteilung durch den Senat äußern.
Die hat Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) gestern für Mitte Oktober angekündigt. Zum Beschluß der SPD-Fraktion wollte sich der Innensenator gestern nicht äußern. „Ich will den Beratungen im Senat nicht vor
greifen.“ Bis Mitte Oktober würden alle genannten StandortAlternativen geprüft: Nach den Kriterien, die das Ressort bei den Standorten Hafen Walle und Hafen Woltmershausen angelegt hatte. Van Nispen und Sozialsenatorin Irmgard Gaertner (SPD) verkündeten gestern ein Drogen- Sofort-Programm für das Viertel mit einem Volumen von 3,2 Millionen (bis '93), das der Senat gestern beschlossen hat. Die Verlegung des Drogenstriches“, die ursprünglich noch als Konzept in der Senatsvorlage bestätigt war, tauchte darin nicht mehr auf.
Bis Jahresende sollen für Abhängige 100 Wohnplätze geschaffen werden, außerdem sollen 40 drogenabhängige Prostituierte und 50 Junkies aus der offenen Szene in das Methadonprogramm. „Wir werden die Zustände, mit denen die Anwohner im Viertel in unerträglicher Weise belästigt werden, auf diese Weise beenden“, hofft Sozialsenatorin Gartner. Innensenator Friedrich van Nispen soll gleichzeitig dafür sorgen, daß im Viertel nicht mehr offen gedrückt wird. „Ich stelle mir vor, daß Polizei, Streetworker und Gesundheitsdienste zusammen arbeiten werden“, erklärte van Nispen eine neue Form der Verfolgung von BTM-Kriminalität. „Wer sich in Zukunft öffentlich einen Druck setzt, dem nehmen wir sofort die Spritze weg“, kündigte er schärfere Repressionsmaßnahmen an. Jetzt würden nicht mehr nur Dealer, sondern auch auch die Konsumenten ins Blickfeld der Polizei rücken. Die neue Taktik des Innensenators soll sofort einsetzen: „Ein Sofortprogramm ist ein Sofort-Programm“, erklärte van Nispen. mad
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