piwik no script img

Der neuadlige Kotzbrocken und die eingedampfte Währung Von Ralf Sotscheck

Die britische Währung ist nicht nur am Wechseltresen, sondern auch physisch geschrumpft. Nachdem die Fünf-Pence-Münze bereits vor einiger Zeit auf die Größe (und den Wert) einer Rosine reduziert wurde, war am vergangenen Mittwoch nun die Zehn-Pence-Münze dran. Das neue Geldstück sieht aus, als ob es zu heiß gewaschen worden sei: vom Design unverändert, aber kaum größer als das alte Fünf- Pence-Stück. Für Automatenbesitzer ist das eine Schreckensnachricht: Neben U-Bahn- und Zigarettenmaschinen müssen landesweit 230.000 Spielautomaten umgestellt werden. Die Anpassung an das Winzgeld kostet sechs Millionen Pfund (knapp 15 Millionen Mark, wenn Sie die taz von hinten nach vorne lesen. Haben Sie jedoch bei Seite 1 angefangen, sind es jetzt vermutlich nur noch 14 Millionen Mark). „Und wir bekommen darauf nicht mal Steuernachlaß“, stöhnte ein Spielhöllen-Mafiosi. Seine deutschen Kollegen reiben sich dagegen die Hände. Betrügerische Elemente hatten nämlich bei alten Automaten die Fünf- Pence-Münzen als Markstücke verwendet. Damit ist es nun vorbei, das neue Kleingeld ähnelt eher einem Pfennig. Der Bevölkerung ist die Symbolik des neuen Mini- Geldes durchaus nicht verborgen geblieben: „Ich glaube, die Bank von England will uns verarschen“, sagte eine 70jährige auf dem Gemüsemarkt in Süd-London. „Je weniger man mit dem Geld kaufen kann, desto kleiner wird es.“ Als offizielle Begründung für die Münzeindampfung gab die Bank an, daß damit die 1971 begonnene Dezimalisierung der Währung abgeschlossen sei. Bisher wurde noch die alte Zwei-Schilling-Münze als Zehn-Pence-Stück akzeptiert. Da nun jedoch die Europäische Union vor der Tür steht, müssen auch die EngländerInnen lernen, daß zehn mal zehn gleich hundert ist.

Der neuadlige Kotzbrocken, Baronin Thatcher, hat sich zu dem neuerlichen Angriff auf die britische Souveränität noch nicht geäußert. Sie war anderweitig beschäftigt: Die private Westminster-Universität ernannte sie am Mittwoch zur Ehrenrektorin. Das ist nicht mehr als recht und billig, hatte sie die elitäre Bildungsstätte doch 1975 eigenhändig eröffnet. Ob sie auch das Universitätsmotto verfaßt hat, ist nicht bekannt: „Alis Volans Propriis“ — Fliegen mit den eigenen Flügeln. Gemeint ist damit wohl das Geld. Wer die unverschämt hohen Studiengebühren nicht aus eigener Tasche zahlen kann, muß auf ordinäre Universitäten wie Cambridge oder Oxford. Letztere durfte freilich nicht erwähnt werden, da das Oxforder Rektorat vor sieben Jahren der damaligen Premierministerin die Ehrendoktorwürde versagt und ihr die schwärzeste Stunde ihrer Amtszeit bereitet hatte. Eine derartige Demütigung von Oxforder Rektoratshand ist in diesem Jahrhundert lediglich dem ehemaligen pakistanischen Präsidenten Ali Bhutto widerfahren. Und der wurde später hingerichtet. Damit will ich den Teufel aber nicht an die Wand malen. Einer der Privatgelehrten soll nach der Zeremonie vergeblich versucht haben, ihr die Europäische Einheit schmackhaft zu machen. Er wollte ihr einreden, daß dadurch das britische Pfund unweigerlich steigen werde: „Um genau 47 Gramm auf ein glattes halbes Kilo — wenn wir unsere imperialen Gewichtsmaße dezimalisieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen