: Selbst ein paar Skins demonstrierten mit
In Frankfurt/Main demonstrierten 10.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit/ Cohn-Bendit sieht den „Beginn einer antirassistischen Bewegung in Deutschland“ ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) — Es wurde nicht das befürchtete „Klassentreffen“: Trotz aller Querelen im Vorfeld wollten am Tag der deutschen Einheit in Frankfurt/ Main mehr als 10.000 Menschen „der Weltöffentlichkeit zeigen, daß wir diese Republik nicht den Rechten und den Rechtsradikalen überlassen“ (Joschka Fischer).
Daß die südhessischen Sozialdemokraten, die Grünen auf Landes- und Bundesebene und der DGB am Ende doch noch zur gemeinsamen Demonstration und Abschlußkundgebung aufgerufen hatten, wurde von vielen Demonstrationswilligen als „Signal der Hoffnung in finsteren Zeiten“ interpretiert. Selbst die wenigen Autonomen und „Antiimperialisten“, die zu dieser Demonstration im nonkonformistischen Fighterdreß erschienen waren, werden umdenken müssen: Neben ihnen marschierten „kritische Polizisten“ in Uniform — und „Glatzen“ mit der Parole „Skins gegen Rassismus“. Tosenden Beifall gab es auf der Kundgebung denn auch für den kritischen Kripobeamten Manfred Such, der die Politiker anklagte, der „grölenden Menge in Rostock und anderswo nach dem Munde geredet“ und die „kriminellen Gewalttäter verharmlost“ zu haben. Such: „Solange in diesem Lande ausländische Bürgerinnen und Bürger angegriffen werden, will auch ich ein Ausländer sein.“
Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Kommunalen Ausländervertretung der Stadt Frankfurt, Grigorius Zarcadas, bei bundesdeutschen Spitzenpolitikern die Entschlossenheit vermißt, sich schützend vor die AusländerInnen in Deutschland zu stellen, die Angst hätten, „Opfer des tollwütigen Nationalismus“ zu werden.
Nachdrücklich warnte der hessische Umwelt- und Bundesratsminister Joschka Fischer (Grüne) die Sozialdemokraten davor, sich an der Schleifung des Artikels 16 Grundgesetz zu beteiligen: „Hört endlich damit auf, auf den Knien immer weiter abwärts zu rutschen.“ Alle Experten, so Fischer, seien davon überzeugt, daß durch eine Grundgesetzänderung der Einwanderungsdruck auf die Bundesrepublik nicht geringer werde. Und deshalb werde es nach einer Grundgesetzänderung zu großen Enttäuschungen kommen — „und die sind dann das Wasser auf den Mühlen der Rechtsradikalen“. Weil sich sozialdemokratische Populisten wie etwa Oskar Lafontaine inzwischen— zusammen mit CSU-Politikern— für die generelle Abschaffung des Asylartikels stark machen, mischten sich bei der Rede von Heidemarie Wieczorek-Zeul Pfiffe in den Beifall. Die Sozialdemokratin forderte die „Ächtung“ der rechtsradikalen Straftäter durch die Gesellschaft. Jetzt müsse sich zeigen, was die Sprüche von der wehrhaften Demokratie tatsächlich wert seien. Sie sprach sich für eine „Beschleunigung der Asylverfahren“ unterhalb der Schwelle einer Grundgesetzänderung aus. Unter dem tosenden Applaus vor allem der Demonstrantinnen lieferte dann Alice Schwarzer die feministische Interpretation der jüngsten Exzesse: die neue Rechte— eine „Eskalation des Männlichkeitswahns“. „Die Brutalisierung beginnt in den Familien. Da lernt die Herrenrasse, daß sie das Recht hat, andere Menschen zu verachten und zusammenzuschlagen.“ Einem Mann, der Frau und Kinder schlage, könne man eben nicht klarmachen, daß es unmoralisch sei, AusländerInnen zu schlagen. Die rechtslastigen Jungmänner, so Schwarzer, gehörten der ersten „voll pornographisierten Generation“ dieser Republik an: „Und Frauenverachtung und Fremdenhaß“, so die Emma-Herausgeberin, „haben eine Wurzel.“
Nach knapp zwei Stunden beendete Moderator Daniel Cohn-Bendit die Kundgebung. Die Demonstration in Frankfurt, so der Multi- Kulti-Dezernent, sei der „Anfang einer antirassistischen Bewegung in Deutschland“ gewesen: „Solange es in Deutschland auch nur einen Fremden gibt, der um sein Leben fürchten muß, werden wir bereit sein müssen, auf die Straße zu gehen.“
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