Zwei Männer, der Müll und viel Geld

Entgehen Mecklenburg-Vorpommern Einnahmen aus der Deponie Schönberg durch Verpachtung an Müllunternehmer?/ Umweltministerium beförderte Vertragsabschluß  ■ Aus Schwerin Andreas Frost

Der Abfallunternehmer Adolf Hilmer aus Bad Schwartau bei Lübeck ist sein eigener Kunde. Zur Hälfte gehört ihm jene Firma, die seit Juli die Deponie Schönberg in Mecklenburg-Vorpommmern betreibt, die „Deponie-Management-Gesellschaft“ (DMG). Über andere Firmen besitzt Hilmer gleichzeitig das Monopol, Müll auf Europas größte Kippe zu liefern. So kann er als Betreiber die Preise niedrighalten, die er sich als Anlieferer berechnet, und weniger verdienen als möglich. Als Entsorger aber kassiert Hilmer um so mehr bei Kommunen und Firmen, denen er Abfall abnimmt, um ihn in Schönberg abzuliefern — zum Nachteil Mecklenburg-Vorpommerns.

Die landeseigene „Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Altlasten“ (GAA) hatte die Deponie am 1.Juli dieses Jahres für zehn Millionen Mark von der Treuhand gekauft und an Hilmers DMG verpachtet. Die Pacht hängt vom Jahresumsatz ab — macht Hilmer als Betreiber weniger Umsatz, zahlt er auch weniger Pacht.

Zu verdanken hat der Müllunternehmer aus Schleswig-Holstein den Deal dem Staatssekretär im Schweriner Umweltministerium, Peter-Uwe Conrad (CDU). Conrad und Hilmer lernten sich 1982 kennen. Bis 1988 war Conrad im Kieler Landwirtschaftsministerium zuständig für die Deponie Schönberg. Und Hilmer hatte schon 1979 der DDR das Exklusivrecht abgehandelt, Westmüll nach Schönberg zu liefern. Diese Bekanntschaft, beteuert Conrad, hätte beim jetzigen Pachtvertrag keine Rolle gespielt. Er kenne Hilmer, so wie er „auch andere Müllkutscher“ kenne.

Der Schalck-Ausschuß des Bundestages hat aber Stasi-Akten gefunden, in denen ein Inoffizieller Mitarbeiter Conrad und Hilmer als Freunde beschreibt. Beide dementieren. Privat hätte er Hilmer in den 80er Jahren nur getroffen, um mit dessen Geschäftspartner Eberhard Seidel (IMB Siegfried) von der DDR-Außenhandelsfirma Intrac über Umweltpolitik zu reden, denn die DDR-BRD-Diplomatie hätte solche Kontakte offiziell nicht zugelassen. Auf Ministeriums-Briefpapier allerdings schrieb Conrad 1983 und 1987 seine Weihnachtsgrüße an Seidel.

Die Opposition im Schweriner Landtag, SPD und Linke Liste/ PDS, fragt nun, weshalb ausgerechnet Hilmers DMG Schönberg pachten durfte. „Würde das Land die Deponie selbst betreiben, flössen die im Müllgeschäft zu erzielenden Gewinne in die Landeskasse“, kritisiert Caterina Muth (LL/PDS). Staatssekretär Conrad hingegen meint, „Private sind effizienter“. Fragt sich nur, für wen.

Eine Million Tonnen Müll im Jahr zum Durchschnittspreis von 170 Mark bringen 170 Millionen Mark Umsatz. Das Land kassiert 62 Millionen Mark Pacht, Experten schätzen die Betriebskosten von Schönberg auf 30 Millionen Mark. Bleiben 78 Millionen Mark vor Steuern übrig. Der Landesrechnungshof hat sich nunmehr des Problems Schönberg angenommen, um herauszubekommen, ob und wieviel Geld dem Land durch den Pachtvertrag mit Hilmer tatsächlich verlorengeht.

Obwohl es auch ohne Ausschreibung mehrere Pachtbewerber gegeben hatte, verhandelte das Umweltministerium über den Schönberg-Betrieb nur mit der DMG. Zu den Gründen dafür gibt es selbst innerhalb des Umweltministeriums widersprüchliche Erklärungen. Außer Hilmer (40 Firmen vorwiegend in der Bau- und Müllbranche, die dieses Jahr 500 Millionen Umsatz bringen sollen) ist an der DMG auch der Bundeskonzern VEBA beteiligt. Conrad: „Wir wollen die VEBA, weil sie auch sonst im Land viel investiert.“ Conrads Ministerin, Petra Uhlmann (CDU), dagegen liefert eine ganz andere Version: „Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, Hilmer von der Pacht auszuschließen, weil er die Flächen unter der Deponie hatte. Wären wir nicht mitgegangen, hätte er uns die Flächen nicht gegeben.“ Die Treuhand hatte nämlich nur das Inventar der Deponie zu verkaufen. Hilmer wiederum hatte seit 1990 einen Teil des Bodens unter dem Müll aufgekauft. Hilmers Firma kassierte, als sie ihren Deponiegrund dann an das Land verkaufte, 12,6 Millionen Mark.

Und noch ein Widerspruch zwischen der Ministerin und ihrem Staatssekretär: Uhlmann behauptet weiter, daß Hilmer den Deponieboden „vor meinem Amtsantritt im Oktober 1990“ aufgekauft habe, obwohl Conrad längst zugegeben hat, Hilmer noch 1991 zu weiteren Bodenkäufen ermuntert zu haben, „damit wir später nicht mit mehreren Eigentümern verhandeln müssen“. Conrad ist also offensichtlich nicht unbeteiligt daran, daß Hilmer den Faustpfand Deponieboden in die Hand bekam.

Und der Deal geht weiter. Einer der maßgeblichen Gründe für den Abschluß mit einem privaten Müllunternehmer wie Adolf Hilmer liege darin, daß das Land Mecklenburg-Vorpommern aus der Pacht Rücklagen für die bevorstehende Sanierung der Deponie bilden müsse, rechtfertigte Staatssekretär Conrad den Schönberg- Vertrag. Doch auch daran wird wieder Hilmer verdienen. Denn laut Pachtvertrag, so erfuhr die taz, soll seine DMG mit der Sanierung beauftragt werden.