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Gulasch mit Himbeeren

Eine Ausstellung des ungarischen Duos Agnes Eperjesi und Tibor Varnagy im  ■ Künstlerhaus

„Strumpf, Unterhose, Paar, Kaffeelöffel, Reisepaß, Tablett, Gummi, Pilz, Kinoprogramm, Platz, Telefon, Gurke, Pipi, Korkenzieher, Raummiete, Tempera, Hacke, Sauerrahm, Künstlerbuch...“ In letztgenanntem ergießen sich diese Worte und verschwommene Bilder über die Seiten wie ein Strom, der sich seiner Bändigung widersetzt und rückwärts in die Erinnerung fließt. Das Büchlein ist Bestandteil einer Ausstellung von Agnes Eperjesi und Tibor Varnagy. Das Künstlerpaar arbeitet hauptsächlich mit Fotografie.

Tibor Varnagy ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe Die stellvertretend Dürstenden und Leiter der Liget Galerie in Budapest. Jetzt in Hamburg hat das ungarische Duo gemeinsam den Raum des Künstlerhauses in der Weidenallee mit ebenso minimalen wie nachdrücklichen Eingriffen verändert. An zwei Wänden des bis auf das erwähnte Buch leeren Raumes haben sie ein Relief aus zur Hälfte in die Wand versenkten Kirschkernen erstellt, und an zwei Stellen wölbt sich die weiße Wand bauchig aus.

Die Suche nach identifizierbarer Kunst führt erst einmal zu intensivierter Wahrnehmung des Raumes und seiner immer schon vorhandenen Unregelmäßigkeiten und plastischen Qualitäten, dann entweder zu achselzuckender Enttäuschung oder verblüffenden Entdeckungen. Denn das ganze so unscheinbare und scheinbar abstrakte Projekt hat sehr viel mit Körperwahrnehmung zu tun.

In den Fotos des Buches verwischen sich nicht nur die Grenzen von Badewanne, Körper und Flüssigkeiten, zusätzlich wird das Bild noch überlagert von den verschiedenen Einwirkungen der Entwicklerwanne im Labor; in der Halle

1des Künstlerhauses wird ein ganzer Raum befruchtet und geschwängert. Es ist ein ebenso minimalistischer wie drastischer Kommentar zum Thema Austausch zwischen den Kulturen und natürlich den Geschlechtern.

Die Ausstellung ist Teil eines Gesamtprogramms der Projektförderung Bildende Kunst, einer Arbeitsgemeinschaft von Kunstgeschichtlern und Künstlern. Diese organisiert drei- bis viermal im Jahr in verschiedenen Räumen und in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern einen Kunstaustausch mit Ungarn. Solche Art künstlerischer Basisinitiative sind das Gewürz am Gulasch offizieller Kulturabkommen wie das, welches jüngst zwischen der Hansestadt und Budapest geschlossen wurde.

Bleibt noch zu zitieren: „...Himbeere, Januar, Orion, Stilleben für Fortgeschrittene, Pflaumenmus, Horoskop, jawohl...“ Alles klar? Hajo Schiff

Weidenallee 10/B, Di-Sa 18-20 Uhr, nur noch diese Woche

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