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Druckräume werden nicht kommen

■ Bürgermeister Wedemeier im Gespräch mit Anwohnern des Viertels

Wedemeier mit Drogenberater van der UpwichFoto: Katja Heddinga

„Druckräume werden nicht kommen, und die Freigabe von Heroin ist mit mir nicht zu machen.“ Relativ schnell steckte Bürgermeister Klaus Wedemeier am Montag Abend den drogenpolitischen Claim der Senatspolitik vor den versammelten Anwohnern des Viertels ab. Als Fazit des zweistündigen, moderat geführten Gespräches im Ortsamt konnte Wedemeier eine Entscheidungshilfe für die Senatssitzung am kommenden Dienstag mit ins Rathaus nehmen: Wenn für den Drogenstrich kein alternativer Standort

angeboten wird, bricht der soziale Frieden im Viertel endgültig zusammen.

Denn das ist den Anwohnern nach dem SPD-Fraktionsbeschluß von voriger Woche klar: Wenn der Senat keinen alternativen Standort für die Drogenprostitution anbietet und die Polizei mit nackter Repression gegen den Strich vorgeht, bleiben die Frauen, wo sie sind, und ziehen sich bis in die Hauseingänge zurück. „Was können Sie denn eigentlich überhaupt noch, wenn Sie nicht einmal mehr einen neuen Standort durchsetzen

können?“, fragte ein Anwohner. Die Antwort Wedemeiers, daß eine Verlegung des Striches ohne die nötige Akzeptanz nicht gelingt, provozierte Empörung: „Wer fragt uns denn in der Schulpolitik, bei der Haushaltspolitik? Fragen Sie da nach Akzeptans?“ Wedemeier blieb hartnäckig: „Ich bin skeptisch, ob wir einen Standort finden“, erklärte er. Antwort: „Die Frage ist doch, ob Sie das politisch wollen oder nicht.“ Wedemeier: „Ich will den Ergebnissen der Suche des Innensenators nicht vorgreifen.“

Was der Bürgermeister noch erleben durfte: Menschen, die sich selbst als Opfer der Drogenpolitik betrachten und keine Rücksicht mehr nehmen wollen. „Plötzlich habe ich faschistoide Gefühle“, erzählt ein Mann, der das Drogenelend vor seiner Haustür nicht mehr ertragen will: „Dann habe ich diese Gedanken, daß ich da mit dem Knüppel rein will.“ Wedemeier hat Verständnis: „Auch Suchtkranke haben Pflichten.“ Das Drücken auf offener Straße sei „die Provokation, die wir nicht hinnehmen werden.“

Die Diskussion bleibt sachlich. Wedemeier erklärt noch einmal das Sofortprogramm des Senats, die Anwohner wollen das Methadonproblem diskutieren. Wollen die Substituierten aussteigen? Ein ehemaliger Junkie erzählt: „Ein Methadonentzug ist tausendmal härter als ein Heroinentzug.“ Nutzt das Angebot des Senats, 40 drogenabhängige Prostituierte und 50 Junkies aus der offenen Szene zu substituieren? Und eine Anwohnerin aus der Friesenstraße machte den Vorschlag, den Drogenstrich durch gezielte Zugriffe auf die Freier auszuhöhlen. „Warum traut sich eigentlich niemand an diese Leute heran?“

Ein runder Tisch wird locker vereinbart. Kompetenzen wird er keine haben. „Sie können den Politikern nicht die Entscheidungen abnehmen.“ Am Ende verspricht Wedemeier nur: „Ich werde ihre Bedenken in der Senatssitzung vortragen.“ mad

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