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Taktischer Kniefall

■ Mit kluger Entschuldigungstaktik sicherte sich der verbal entgleiste Präsident Günter Eichberg die Macht auf Schalke

Gelsenkirchen (dpa/taz) — Viele sahen Präsident Eichberg bereits wanken, die meisten erwarteten zumindest Stunk, vielleicht sogar eine Zerreißprobe beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. Zu arg hatte Günter Eichberg den Ruf des Traditionsklubs ramponiert, als er nach dem 2:2 gegen den Karlsruher SC am vergangenen Freitag angetrunken und höchst unflätig den Schiedsrichter vor den Kameras lallend beschimpft hatte.

Diese hochnotpeinlichen Vorfälle sollten unter anderem Thema sein auf der Jahres-Hauptversammlung. Kein Wunder also, daß am Montag abend 1.750 Schalke- Mitglieder voller Neugier zusammendrängten, um ihren großmäuligen Oberst sich winden zu sehen. Und sie wurden belohnt. Denn Eichberg ist nicht nur, sagen wir, eher rustikal veranlagt, er ist auch bauernschlau. Anstatt seine verbalen Entgleisungen zu rechtfertigen, trat der Temperamentsbolzen mit Büßermiene zum Kotau an. Noch vor Eintritt in die Tagesordnung, auf der keine Wahlen standen, entschuldigte sich Eichberg reuig bei den Mitgliedern für seine Verfehlung. „Das tut mir leid, das war nicht gut für Schalke 04“, gestand Eichberg und gab persönliche Gründe für sein Fauxpas an. Alle waren baff. Damit hatte keiner gerechnet, damit konnte keiner rechnen auf Schalke.

Völlig überrannt von der Läuterung ihres Chefs brachen die Mitglieder in spontanen Applaus aus. Eichberg duckte sich noch ein bißchen tiefer, wahrscheinlich, damit ihn keiner grinsen sieht, und feierte alsdann — rehabilitiert — eine fröhliche Entlastungsparty.

In seinem Rechenschaftsbericht preiste der Klubchef den in seiner Amtszeit eingetretenen Wandel des Traditionsvereins zu „einer ganz neuen Firma“: „Als ich gewählt wurde, standen wir mit einem Bein in der Amateur-Oberliga und hatten noch einen Schnitt von 8.000 Besuchern pro Heimspiel. Jetzt spielen wir in der Bundesliga, stehen finanziell gut da und haben gute Zukunftsperspektiven“, jubilierte Eichberg. Nur mit dem derzeitigen 14. Tabellenplatz sei er natürlich ganz und gar nicht zufrieden.

Am Trainer liegt das jedoch nicht, doziert Eichberg, der Duz- Freund von Trainer Udo Lattek. „Feuer und ein gutes Verhältnis zur Mannschaft“ habe Lattek ins Team gebracht. „Wir werden ihm helfen, ihn unterstützen und aufmuntern. Ich würde Lattek gern auf lange Sicht als Schalkes Trainer sehen“, gab er seinem umstrittenen Kumpel Rückendeckung.

Schatzmeister Rüdiger Höffken gefiel weniger durch flammende Rhetorik als durch nüchterne Zahlen aus dem Kassenbericht: Der Klub verzeichnet einen Rekordumsatz mit Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 24 Millionen Mark. Die Mehreinnahmen von rund fünf Millionen Mark gegenüber der Vorjahres-Bilanz wurden durch erhöhte Abschreibungen auf einen Bilanzgewinn von 182.000 Mark reduziert. Den Schuldenstand zum 30.Juni bezifferte Höffken auf neun Millionen Mark (4,3 Millionen kurzfristig, 4,7 langfristig), der aktuelle Stand der Verbindlichkeiten liege derzeit bei rund sieben Millionen Mark. Bei einem Versicherungswert der Mannschaft von 26 Millionen Mark könne Schalke also optimistisch in die Zukunft sehen.

Nach gut dreistündigem Palaver erteilte die Versammlung bei nur drei Gegenstimmen Eichbergs Vorstand und dem Verwaltungsrat mit überwältigender Mehrheit die Entlastung. Derart ausgelassen und gehoben war die Stimmung, daß Verwaltungsratsvorsitzender Clemens Rick in seinem Schlußwort gar dem Großenwahn erlag: „Was für die Zukunft zählt: Die Silberschale muß nach Schalke!“ miß

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