: Weniger Cash als Kriftel
■ I. Volleyball-Club Hamburg: Mit einem Minikader in die neue Saison
: Mit einem Minikader in die neue Saison
Spitzenvolleyball der Männer in Hamburg war schon immer etwas Besonderes. Entweder war er besonders erfolgreich oder mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Wer erinnert sich nicht an die Querelen, als die Schmetterkünstler noch für den Traditionsverein Hamburger SV das Leder über das Netz donnerten?
Heute tapen sich die Volleyballer die Finger für den 1.VC Hamburg, und auch der hat so seine Besonderheiten aufzuweisen. Das Team von Coach Bernd Schlesinger geht mit lediglich neun Spielern in die am Sonntag beginnende Saison. Das sind verdammt wenige Akteure, denn „sollten sich nur zwei oder drei der Leistungsträger verletzen, können wir einpacken“, weiß der Trainer um die Situation seiner Mannschaft. Schuld an dieser vermaledeiten Lage ist einmal mehr das liebe Geld. Mit einem Etat von nur 400000 Mark ist einfach nicht mehr drin. Der russische Weltmeister Antonow, der zuletzt zur Disposition stand, wollte neben einem üppigen Handgeld auch noch 150000 Mark im Jahr verdienen. Soviel verdient mal gerade das Team zusammen.
Dennoch stehen einige hochkarätige Baggerprofis in den Reihen des VCH. Mit dem Schweden Gunnar Eckert kam zur neuen Serie ein exzellenter Blockspieler ins Team. Hoffnungsträger ist aber Peter Goga. Goga ist 105facher Nationalspieler der Tschechoslowakei. Der Prager gilt als einer der besten Zuspieler in Europa. Die anderen Sieben des Teams sind auch keine unbeschriebenen Blätter. Immerhin haben Mackerodt, Korf, Oldenburg, Zehnder, Ahmann, Körner und Heitmann bereits den Pokal in die Hansestadt geholt.
Die anderen Spitzenteams der Liga können über den Klecker-Etat der Hamburger nur milde grinsen. Allein in Moers verdient der Star- Angreifer Georg Grozer mehr als das Gesamtbudget der Hamburger. Auch die anderen Favoriten, Wuppertal, Berlin und Friedrichshafen haben den VCH nur bedingt auf der Rechnung. Wozu der Schlesinger- Haufen in der Lage ist, muß er am Sonntag erstmals bei Post Berlin beweisen. Das erste Heimspiel steht am 16.10. gegen Dachau an.
Trotz der besagten besonderen Umstände traut Bernd Schlesinger seinen Balldreschern einiges zu: „Wir wollen die Bundesligaendrunde erreichen und im Europacup mindestens in die dritte Runde einziehen.“ Markige Worte des Volleyballehrers. Woher soll also die Stärke des Mini-Ensembles kommen? „Bei uns spielt keiner des Geldes wegen. Fast alle hatten bessere Angebote und sind dennoch in Hamburg geblieben. Allein das macht mich schon stolz“, weiß Schlesinger zu berichten.
Aha, ein tolles Gemeinschaftsgefühl also ist es, was den Erfolg bringen soll. Vereinsboß Günter Ploß, Manager Lutz Reinhard und Schlesinger selbst glauben jedenfalls an das Team: „Wir wollen wieder Spitzenvolleyball in Hamburg etablieren.“ Sollte sich tatsächlich der gewünschte Erfolg einstellen, werden sich auch weitere Sponsoren einfinden, kann endlich mit einem bundesligareifen Etat gerechnet werden. Wie kann es angehen, daß ein Spitzenteam in der Weltstadt Hamburg weit weniger des Mammons zur Verfügung hat, als ein Aufsteiger aus Kriftel oder Düren? Andreas Hoffmann
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