: Wandeln über die Wand
■ New Dance und einiges mehr auf dem 5. Bremer Tanzherbst
Zwei Wochen lang New Dance bietet der 5. Bremer Tanzherbst: New Dance, das ist, wenn sich die Bewegung von den klassischen Traditionen losgelöst hat, wenn Improvisation fast ein Muß ist, wenn Musik und Malerei nicht Kulisse oder Begleitung, sondern gleichberechtigte und handelnde Partner sind. New Dance, da kommen auch Stimmen vor, Sprache, Requisiten und Kostüme, fast wie im Theater, aber anders. Für ein richtig teures Festival mit Spitzengagen, für ein Konsumfest der gehobenen Klasse fehlt bei Impuls, dem Bremer Zentrum für gesunde und künstlerische Bewegung, das dicke Geld, und besonders dicke hat es der Kooperationspartner Freiraum auch nicht. Also gibt es einige ausgewählte und international ziemlich beachtete Performances, und dazu Workshops und Filme.
Die Eröffnungs-Vorstellung von Britta Lieberknecht und Reinhard Gerum, beide Bremen, veranstaltet ein lustvoll-explosives Spiel mit Alltagsgegenständen, Stühlen, Bestecken, Lampen, Hemden — mit Dingen, die wir alle in täglichen Ritualen benutzen, ohne sie ästhetisch wahrzunehmen. (heute und morgen je 20.30 Uhr, Freiraum)
Zum ersten Mal in Deutschland zeigt die Kanadierin Helen Walkly ihr Solostück „Hindsight in a present tense retrospection“. Sie unterrichtet in Amsterdam New Dance. Walkly's Produktionen sind eher poesievoll; fast nackt in karger Umgebung oder im roten Kostüm, zu wechselnden Dia-Farben und Musik. Walkley zeigt, wie sich New Dance von der traditionellen senkrecht aufrechten Tanzhaltung löst, sie geht auf den Boden, springt an die Wand, macht Handstand und erfindet dazu lange Schatten. (17./18.10.)
Zum Thema „Wilde Tiere“ gibt es eine vielversprechende Performance mit 8 TänzerInnen aus Bremen und anderen deutschen Städten. Keine schon fertige Produktion, sondern Ergebnis eines zweiwöchigen Projektes unter dem US-amerikanischen Tänzer und Choreografen Frey Faust. Zusammen mit dem Bremer Jazzmusiker Hainer Wörmann entwickeln die TeilnehmerInnen ein Bewegungsvokabular: Wie jagen, spielen, lieben sich wilde Tiere? Frey Faust kombiniert westliche und östliche Tanztechniken mit Kampf, Release, Mimik, Ballett und einer Prise Straßentanz (22./23.10.).
Frey Faust selbst tanzt zusammen mit Rusty Lester, beide USA, in der Show „Fly by Night“, solo und Duett. Sie erforschen die Beziehungen zwischen Mensch und Objekt, beginnen einen spielerischen, lächelnden, improvisierten Dialog (24./25.10.).
Zwei ganz unterschiedliche Zugänge zum New Dance eröffnen die beiden Filmabende. Susanne Schlicher vom Bremer Tanzfilminstitut nähert sich dem Thema mit einem Videovortrag über drei Jahrzehnte USA-Tanzgeschichte. (15.10., 20.30 Uhr, Angestellten- Kammer). Video-Tanz-Produktionen von der Niederländerin Rudie Ewals machen wach für die Frage: was bedeutet das Kamera- Auge für die Wahrnehmung von Tanz? (20./21.10. Lagerhaus.)
Das ganze Festival ist ein Low- Budget-Projekt: Der 35.000 Mark- Etat berücksichtigt nur die nackten Sachkosten; alle Arbeit über Monate wurde ans Projekt verschenkt. Falls die Kulturbehörde Wort hält und 8.000 Mark dazugibt, können wenigstens Flüge, Versicherungen, Papierkosten bezahlt werden; ob die ABM-Stelle von Rolf Hammes noch einmal verlängert wird, steht seit Juli in den Sternen. S.P.
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