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Landeseigener Leerstand in Kreuzberg

■ Am Carl-Herz-Ufer räumte das Grundstücksamt einen Mieter und läßt seine Wohnung leerstehen

Kreuzberg. Im Etat des Bausenators kommt der Leerstandsbeseitigung mit 224 Millionen Mark besondere Bedeutung zu. Um so unverständlicher ist es, wenn das Land Berlin selbst Wohnungen leerstehen läßt. Ralf Wegner flog im März dieses Jahres aus seiner Wohnung am Carl-Herz-Ufer 5. Das Grundstücksamt als Verwalterin des bezirkseigenen Hauses hatte beim Amtsgericht die Räumung durchgesetzt, weil Wegner der Aufforderung, seine Mietschulden zu begleichen, mehrfach nicht nachgekommen war. Einen Tag vor Urteilsvollstreckung am 2. März hatte Wegner seine Sachen gepackt und war nach Westdeutschland gezogen. Nun, nachdem er wieder in Berlin ist, steht die Wohnung immer noch leer.

In der Kreuzberger Finanzverwaltung gab man sich gestern verschlossen. »Solange der Stadtrat keine Genehmigung gibt, darf die zuständige Sachbearbeiterin in diesem Fall keine Auskunft geben«, hieß es aus dem Büro von Finanzstadtrat Peters. Peters selbst war außer Haus. Auch der Leiter des Grundstückamtes, Behnel, wollte sich nicht näher äußern. »Da steht bestimmt nichts leer. Und wenn, wird man mit der Wohnung etwas Bestimmtes vorhaben.«

In den Bezirken wird derzeit der Modus für die Abgabe landeseigener Wohnungen an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ausgearbeitet. Die damaligen Pläne der rot-grünen Koalition, ein kommunales Sondervermögen zuschaffen, um so die Instandsetzung der meist heruntergekommenen Häuser zu finanzieren, wurde von der großen Koalition fallengelassen. Nachdem bereits 1988 alle landeseigenen Wohnungen in Neukölln, Charlottenburg, Spandau und Reinickendorf abgestoßen wurden, soll es nun bis zum Jahresende in West-Berlin keine dieser Wohnungen mehr geben. Hintergrund der Transaktion ist laut Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die Einsparung von Verwaltungskosten. Gerhard Eichmann, Mitarbeiter der Berliner MieterGemeinschaft, befürchtet dagegen, »daß dies ein erster Schritt in Richtung Privatisierung ist, um so die fehlenden Gelder für den Neubau zu erwirtschaften.«

Kein Geld für die Sanierung

Obwohl die Grundstücksämter in den letzten Jahren durch unzulässige Instandsetzungsumlagen und unwirksame Mieterhöhungen immer wieder von sich reden machten, hatten sich auch die MieterInnen der landeseigenen Wohnungen in der Schöneberger Hohenstaufenstraße und Pallasstraße gegen eine Übertragung an die DEGEWO zur Wehr gesetzt. Eine Übernahme der Häuser in Selbsthilfe hatte die Finanzverwaltung abgelehnt. »Allein an den Verwaltungskosten kann es also nicht gelegen haben«, meint Eichmann.

Wann die Übergabe abgeschlossen sein wird, konnte Behnel gestern ebensowenig nennen wie die Zahl der davon betroffenen Wohnungen. »Wenn es keinen landeseigenen Wohnungsbestand mehr gibt«, ärgert sich Gerhard Eichmann, »gibt es auch keine unmittelbaren Belegungsrechte der Wohnungsämter mehr.« Uwe Rada

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