: „Ich wünsch' der SPD dann nur noch guten Rutsch“
■ Bremer Reaktionen nach der Entscheidung zum Drogenstrich: Entsetzen und Resignation
Die Tage des Drogenstrichs in der Friesenstraße sind gezählt. Gestern nachmittag wurde die Polizeiführung auf den Senatsbeschluß eingeschworen. Wenn der Drogenbus in der Friesenstraße abgezogen und die Notübernachtung in der Schmidtstraße geschlossen ist, „dann wird die Sperrgebietsverordnung exekutiert, so schnell es geht“, sagte gestern Merve Pagenhardt, Sprecherin des Innensenators. „Der Innensenator hält sich an die klaren Beschlüsse des Senats.“
Einen Tag nach der Senats- Kampfentscheidung für die Zerschlagung des Strichs gegen die Vorlage des Innensenators und seiner Sozialkollegin trudelt die Koalition in eine handfeste Krise. Die Grünen haben eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses auf auf Sonntag Nachmittag festgelegt. „Und dann müssen wir sehen, daß wir das Kind wieder aus dem Brunnen bekommen“, sagte gestern Umweltsenator Ralf Fücks.
Bei den Grünen hat der Beschluß blankes Entsetzen ausgelöst. „Ich habe mittelschweren Brechdurchfall“, kommentierte Fraktionssprecherin Karoline Linnert. Für heute sei eine Sondersitzung der Fraktion anberaumt, in der diskutiert wird, wie der Beschluß zurückgeholt werden könnte. „Ich stehe für diese Drogenpolitik nicht gerade. Soll doch der Häfensenator das machen.“
„Zynisch und frauenverachtend“, kommentierte die SPD- Sprecherin für Soziales, Elke Steinhöfel, die Politik ihrer ParteifreundInnen. „Ich bin zutiefst deprimiert.“ Sie setzt ihre letzte Hoffnung auf den Ost-Unterbezirksparteitag, der für gestern abend angesetzt war. „Wenn die Polizei anfängt, dann wird das ein kleiner Steppenbrand. Jeder, der was von der Materie versteht, weiß, daß es so nicht geht.“
Im Sozialressort war nur die Stallwache anwesend. Die Senatorin ist am Montag nach Danzig gefahren, Staatsrat Hoppensack ist im Urlaub. Zu den Spekulationen über das mögliche Abstimmungsverhalten von Irmgard Gaertner, wenn sie dagewesen wäre, meinte Grundsatzreferent Jochen Eckerts nur lapidar: „Man bringt keine Vorlage ein, um sie ablehnen zu lassen.“
Zwischen allen Stühlen sitzt die FDP. Ihr Innensenator hat eine schwere Niederlage erlitten, ihr Wirtschaftssenator hat daran Anteil. Davon ist allerdings in keiner Stellungnahme die Rede. „Jäger war ja bei dem Beschluß nicht spielentscheidend“, sagte gestern Fraktionschef Heinrich Welke. FDP-Linie seit gestern: Lob für den Innensenator, Kritik an der SPD und der Mantel des Schweigens über Claus Jäger.
Jäger hatte sich im Senat auf die Seite Klaus Wedemeiers geschlagen. Der Bürgermeister hatte die Entscheidung unbedingt durchpeitschen wollen. Die erste Abstimmung hatte noch mit einem Patt geendet. Im zweiten Anlauf fiel Eva-Maria Lemke-Schulte dann um. Sie hatte zuerst mit Ralf Fücks, Friedrich van Nispen, und Volker Kröning (Nicht, wie wir gestern meldeten Sabine Uhl!) gestimmt, und entdeckte jetzt ihr Herz für den Büprgermeister. Das Ende vom Lied war 5:3 für Zerschlagung.
Auch bei den Drogeninitiativen ist der Beschluß auf harte Kritik gestoßen. Dieter Büsing, einer der AktivistInnen aus dem Viertel: „Das geht doch nicht mit der Polizei.“ Klaus Wedemeier habe versprochen, daß erst nach der Ausweitung der Hilfsmaßnahmen die Repression einsetze. „Und jetzt macht er das Gegenteil. Was sind das bloß für Heinzis?“
Neben der Kritik an der Entscheidung selbst, stießen sich die Ampelpartner der SPD vor allem an der Art und Weise, wie sie zustande gekommen war. Noch am Montag abend hatten weder die SPD-Mitglieder im Koalitionsausschuß noch Claus Jäger gesagt, daß sie gegen die Vorlage stimmen würden. Heinrich Welke: „Für mich kam das dann völlig überraschend.“ Und Ralf Fücks: „Es knirscht im Gebälk. Man kann nicht Hals über Kopf alle guten politischen Sitten über den Haufen werfen. Die Koalition kann nur gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren. Und wenn die SPD aus lauter Panik wegen der 32 Prozent aus der letzten Umfrage alles in Richtung großer Koalition schleifen läßt: Dann kann man ihr nur einen „guten Rutsch“ wünschen.“ Jochen Grabler
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen