: Im Zeitungsherbst sterben viele Blätter
■ Die IG Medien ließ über die Konzentration der Berliner Presse diskutieren
Ferdi Breidbach, Öffentlichkeitsreferent des Springer-Verlages, hatte in Vorbereitung auf die Diskussion „Monopoly, Medienkonzentration in Berlin“ seine Hausaufgaben gut gemacht. In Erwartung, daß man seinen Arbeitgeber als Monopolisten bezeichnen werde, war er mit allen möglichen Monopol-Definitionen gewappnet.
Überraschende Entlastung kam auch von Axel Zerdick, der meinte, von einem gemeinsamen Zeitungsmarkt könne ohnehin nicht die Rede sein. „Es gibt kaum Zeitungen, die miteinander konkurrieren“, dazu sind die Märkte zu verschieden. Was es gibt, so der Medienwissenschaftler der Freien Universität Berlin, sei höchstens partielle Konkurrenz, beispielsweise zwischen der Morgenpost und dem Tagesspiegel. Das war dem Vertreter des Hauses Springer dann doch zuwenig: Die Schlacht auf dem Berliner Markt, so Breidbach, werde mit besonderer Härte und Finesse geführt. Dem konnte die stellvertretende Chefredakteurin der Berliner Zeitung, Georgia Tornow, nur zustimmen. Allerdings vertritt sie ein Medium, das den Wettbewerb auf dem Berliner Markt erheblich verzerrt. Da die Berliner im Ostteil der Stadt angesiedelt ist, braucht sie ihren Mitarbeitern nur 70 Prozent der tariflich festgelegten Gehälter bezahlen.
Auf die Frage, ob es angenehmer sei, für eine konzerngebundene Zeitung zu arbeiten oder für ein unabhängiges Blatt wie die taz, konterte Frau Tornow, die selbst lange Zeit Redaktionsleiterin der taz war, geschickt. Natürlich sei die Berliner eine Gruner+Jahr-Zeitung, aber bei der unabhängigen taz gäbe es eine Abhängigkeit vom Mangel. Was für sie zähle, sei das Produkt. Dieses wurde aber nicht weiter untersucht.
Insgesamt sieben Blätter sind im letzten Jahr in Berlin den Zeitungstod gestorben. Das wurde, schon wegen der damit verbundenen Reduktion der Meinungsvielfalt, bedauert. Das Ableben einer Zeitung wurde allerdings nicht beklagt: Super, die das Niveau von Bild noch unterboten habe. Einzig Zerdick fand den Super-Tod bedauerlich, war sie doch die einzige Zeitung auf dem Boulevardmarkt, die der marktbeherrschenden Bild Paroli zu bieten versucht habe.
Nimmt man die kühnen Träume, die kurz nach dem Mauerfall bezüglich einer blühenden Zeitungslandschaft aufkamen, als Maßstab – dann muß man angesichts der heutigen Realität enttäuscht sein. Berlin hat, so der Chefredakteur der taz, Michael Sontheimer, „die Zeitungen, die es verdient“. Von Metropole und einer Metropolenzeitung kann keine Rede sein. Auch hier will Springer Abhilfe bringen, zieht das Flaggschiff des Verlages Die Welt doch im nächsten Jahr in die Stadt. Im Gegenteil, meint Axel Zerdick, gebe es einen „Angebotsmarkt, den sich die Leser erst noch verdienen müssen“.
Einen weiteren Aspekt brachte Fred Grätz, beim RIAS als Medienexperte beschäftigt, in die Diskussion. Die Gesamtauflage der Berliner Tagespresse hat im Vergleich zum Vorjahr um 170.000 Exemplare abgenommen. Eine Hinwendung der Jugendlichen zu den elektronischen Medien wird dafür verantwortlich gemacht. Hier müssen die Zeitungsmacher eine Antwort finden. Die Berliner scheint sie schon zu haben, „wir surfen auf der Welle der elektronischen Medien“.
Trotz Zeitungssterben und Auflagenschwund schien am Ende der von der IG Medien organisierten Podiumsdiskussion das Gespenst einer zunehmenden Pressekonzentration erst einmal gebannt. Auch wenn man sich einig war, daß der Verdrängungswettbewerb noch längst nicht zu Ende ist, kam kein Kulturpessimismus auf. Eines allerdings war klar, das Überleben kleiner Zeitungen wie der taz, des Neuen Deutschland und der Neuen Zeit wird immer schwieriger. Karl-Heinz Stamm
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