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Einzug ins autofreie Paradies

■ Neues Rechtsgutachten: Auto-Sündern darf gekündigt werden / Öko-Siedlung im Hollerland

Schöner Wohnen ohne Autos: Keine Parkplätze, keine Tiefgaragen, nur Wohnstraßen, Fußwege und überall Spielplatz. Im Hollergrund in Bremen Horn-Lehe soll das autofreie Leben auf 2,5 Hektar in drei Jahren möglich sein. Nur Haushalte, die sich selbst verpflichten, kein eigenes Auto zu halten und keine Benzinschleuder heimlich in der näheren Umgebung abzustellen, sollen ins autofreie Paradies einziehen dürfen. Freie Bahn haben dann nur noch die Feuerwehr, Krankenwagen und — wenn's denn sein muß — auch mal ein Möbelwagen.

„Ganz normale“ Menschen sind es, die nach Auskunft von Thomas Krämer-Bandoni, einem der Initiatoren des Projekts „Wohnen ohne Auto“, freiwillig ohne Auto leben wollen. Rund 300 BremerInnen haben bereits Interesse für das von Umwelt- und Bausenator gemeinsam getragene Wohnprojekt angemeldet. Ein Drittel der Interessenten verfüge über Wohnberechtigungsscheine, nur ein Viertel wolle sich dort ein eigenes Häuschen kaufen. Zwei Drittel derjenigen, die im Hollergrund bald autofrei leben wollen, haben ihr Auto bereits abgeschafft.

Über die Bewohnerberaterin Renate Viets können die zukünftigen Siedler im Hollergrund Kontakt zum Projekt aufnehmen und sich an der Planung der Siedlung beteiligen. Michael Glotz-Richter, Referent für ökologische Stadtgestaltung beim Umweltsenator, verspricht sich vom gemeinsamen Feind Auto ein höheres Gemeinschaftsgefühl der zukünftigen BewohnerInnen.

Auch die Gewoba hat ihr Herz für die Modellsiedlung im Hollerland entdeckt und will sich beteiligen. „Eine dicht bebaute ökologische Siedlung für etwa 250 Haushalte soll dort entstehen“, versicherte Gewoba-Geschäftsführer Eberhard Kulenkampff, „keine grüne Idylle mit Häusern für einige wenige.“ Geheizt wird mit Fernwärme, erklärt der Geschäftsführer, auf's Dach können „meinetwegen auch Solardinger“.

Doch was geschieht, wenn die freiwillig autolosen es sich plötzlich anders überlegen und sich heimlich doch einen Benzinfresser zulegen? Oder wenn die volljährig gewordene Tochter die Liebe zum Auto entdeckt? Muß auch die Nutzung eines Dienstwagens geächtet werden? Wann darf den Öko-Siedlern gekündigt werden? In einem Rechtsgutachten für Umweltsenator Fücks hält der Jurist Peter Derleder die Bindung der Mieter an die Autolosigkeit für rechtlich durchsetzbar: Rückfällige Umweltsünder müßten mit Kündigungen rechnen. Die urbane Qualität der Siedlung rechtfertige diese Auflagen — immer natürlich im Rahmen dessen, was Juristen für zumutbar halten.

Das Projekt sei nur für Leute gedacht, die freiwillig auf ihr Auto verzichten wollen, erläutert Thomas Krämer-Bandoni. Für alle anderen stünden in Bremen 265.000 autofreundliche Wohnungen zur Verfügung. Ausgeschlossen werden solle die Haltung eines Autos, nicht die grundsätzliche Nutzung. Denn die Erfahrung lehre: „Wer ein Auto hat, benutzt es auch.“ Car- Sharing-Projekte für die unbedingt notwendigen Autofahrten hält Krämer-Bandoni dennoch für tolerierbar und warnt vor einer rechtlichen „Überregelung“: „Man soll die Probleme dann lösen, wenn sie auftauchen.“ Diemut Roether

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