: Innerer Numerus Clausus bei der Medizin
■ Studenten klagen gegen Praktikumsvergabe per Los / Unikliniken wollen weniger Ärzte ausbilden
/ Unikliniken wollen weniger Ärzte ausbilden
Als die Medizinstudenten des 2. Semesters am Freitag früh auf das Schwarze Brett am Fachbereich sahen, wurden sie böse überrascht. Eine Liste mit 75 Namen gab Auskunft darüber, wer ab Montag an dem vorgeschriebenen Anatomie- Praktikum teilnehmen darf und wer nicht. Denn seit neustem sind die Plätze in einem solchen Seminar auf 20 begrenzt. Ein Kunstgriff der Medizinischen Fakultäten, die diese Regelung vor einem halben Jahr bundesweit einführte, um die Zahl der zuzulassenden Studenten zu reduzieren.
Noch vor einem Jahr wurden pro Semester 300 Nachwuchsmediziner an der Eppendorfer Uniklinik zugelassen. Mit Verweis auf die neue Praktikumsverordnung wollte das UKE im vergangenen Sommersemester nur noch 227 aufnehmen. Doch die Eppendorfer Ärzte hatten nicht mit dem Oberverwaltungsgericht gerechnet. Mit 71 lag die Zahl der Studienbewerber, die sich im Sommersemester einklagen konnten, ungewöhnlich hoch. Begründung des Gerichts: Wenn die Professoren nur noch Seminare in kleinen Kreis anbieten, müssen sie ihre Lehrverpflichtung entsprechend erhöhen.
„Die Professoren an der Anatomie sind in der Tat überlastet“, räumt Georg Zezschwitz vom Fachschaftsrat Medizin ein. Da das Praktikum studiumswichtig ist und nur im Winter angeboten wird, sah die Studentenvertretung das jetzige Malheur schon voraus. Mit Hilfe öffentlicher Proteste hatte sie Wissenschaftssenator Hajen zusätzliches Geld für Lehraufträge abgerungen. Doch Fachbereichs-Chef Professor Adolf Holstein blieb bei seiner Weigerung, mehr als 230 Studenten in die Geheimnisse der Anatomie einzuweihen. Begründung: Es seien keine Lehrkräfte verfügbar.
Der Hamburger AStA befürchtet, daß das Beispiel der Eppendorfer Professoren von anderen Fachbereichen nachgeahmt werden könnte. Er unterstützt die Klage einer Studierenden, die einen Musterprozeß führen will. Gegen die Ausgrenzung aus dem Studium haben am Freitag überdies 39 weitere Kommilitonen beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, über die im Laufe dieser Woche entschieden wird. Es sei allerdings zu befürchten, so Georg Zezschwitz, daß die Professoren mit einer Gegenklage kontern. Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen