piwik no script img

■ StadtmitteKein verlorenes Paradies

Die DDR-Frauen als Verlierer der Einheit? Ja und nein. Denn Frauen hatten in der DDR nicht das Paradies auf Erden. Auch wenn das immer mehr in Vergessenheit gerät angesichts der neuen, oft existenzbedrohenden Nöte. Alle Förderung, jede „sozialpolitische Maßnahme“ diente nicht dem Wohl der Frau, wohl aber der besseren Bewältigung ihrer „Pflichten der Familie und dem sozialistischen Staat gegenüber“. Wäre die Selbstbestimmung der Frau tatsächliches Anliegen gewesen, hätte man, wie seit Mitte der achtziger Jahre von verschiedenen Frauengruppen gefordert, den diskriminierenden Vergewaltigungsparagraphen geändert, wären Männer in ihrer Funktion als Väter ebenfalls gefördert und die frauenspezifischen Berufe nicht schlechter entlohnt worden als die Männerbranchen.

In den Leitungsetagen verkleinerte sich die Zahl der Frauen rasant, je höher man die Hierarchieleiter hinaufschaute. Im Staatsapparat, in der SED und im MfS waren sie auch in mittleren Ebenen im Verhältnis zum Rest der Gesellschaft wenig zu finden. Weibliche Führungsoffiziere müssen beispielsweise als Rarität gelten. Ein ehemaliger MfS-Angestellter konnte sich nur an zwei erinnern, denen er im Laufe seiner 35 Dienstjahre begegnet ist, und die waren aus kleineren Kreisdienststellen. Was nicht heißt, daß Frauen nicht beteiligt sein wollten. Sie waren auch in der DDR nicht unbedingt die besseren Charaktere.

Ansonsten war die weibliche Arbeitskraft in der DDR unverzichtbar, also mußte man sich etwas einfallen lassen, damit die Frauen die Doppelbelastung durch Beruf und Kinder aushalten konnten. trotzdem sprangen entscheidende Freiräume dabei heraus, die wir wohl erst jetzt so richtig zu schätzen lernen.

Wir mußten nicht mit Gefängnis rechnen, wenn wir eine unerwünschte Schwangerschaft ohne Pflichtberatung abbrechen ließen. Wobei nicht vergessen werden sollte, daß die Fristenregelung der DDR undemokratisch zustande kam, daß der Schwangerschaftsabbruch im entsprechenden Gesetzblatt als zusätzliches Verhütungsmittel definiert war und den Ärzten und Ärztinnen eine Verweigerung unendlich schwergemacht wurde.

Wenn eine Frau sich in der DDR scheiden ließ, drohte ihr nicht das Schicksal einer Sozialhilfeempfängerin. Alleinerziehende mit Kindern gerieten nicht in existentielle Nöte: Wenn das Geld auch oft knapp war, für Miete, Kohlen und Essen reichte es immer irgendwie. Und die Geschiedenen waren tatsächlich geschiedene Leute. Das Ehe- und Familienrecht der BRD bietet uns da andere Aussichten. Wer sein Jawort gibt, ohne vorher einen Steuerberater und einen Anwalt zu konsultieren, hat nach einer Scheidung unter Umständen den Partner bis zum Lebensende am Hals oder muß ihm seinerseits auf der Tasche liegen. Anachronismen wie der „Verlobungsparagraph“ oder die Spanne von zehn Monaten, die eine geschiedene Frau bis zur nächsten Hochzeit einzuhalten hat (von Männern ist im Gesetz nicht die Rede), zeigen uns, daß es im vereinten Deutschland auch nicht um den Menschen (oder die Frau), sondern um Erbrecht und Finanzen geht.

Es bleibt uns nur, über das eine wie das andere zu klagen oder uns endlich aufzuraffen. Denn das können wir jetzt. Tina Krone

(Journalistin aus Ost-Berlin)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen