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Die Königin des Pfluges ist eine Farmerette Von Ralf Sotscheck

Hat der Bauer die Ernte eingefahren, darf er feiern. In einem Agrarland wie Irland arten solche Feste freilich im Handumdrehen zum Massenspektakel aus. Das wichtigste Ereignis im bäuerlichen Kalender sind die Nationalen Meisterschaften im Pflügen, die vor kurzem zum 64. Mal in Carrigtwohill ausgetragen wurden. 100.000 Menschen waren zur Pflugorgie gekommen. Dabei ging es natürlich um mehr, als nur um eine gerade Furche in den Acker zu ziehen. Die Meisterschaften sind in unzählige Klassen unterteilt: Dreiviertelstoppel-Einfachfurchen, Halbstoppel- Doppelfurchen, Doppelmoppel-Wunderfurchen usw. Dazu kommt die Unterteilung in Altersgruppen von Junior über Mittelalter bis Greis. Wer nicht furchte, konnte beim Schafetreiben mitmachen. Dabei kam es darauf an, mit Hilfe eines Hundes möglichst viele Schafe in möglichst kurzer Zeit in ein möglichst umzäuntes Feld zu treiben. Das bunte Treiben lockte selbstverständlich auch viele Firmen an, die ihre Produkte an 500 Ständen feilboten. Besonderes Interesse fand ein Stand, an dem demonstriert wurde, wie die EG die Einhaltung der neuen Richtlinien zur Beschränkung des Getreideanbaus per Satellit überwacht. The Brussels-Brothers are watching you. Im Vordergrund stand allerdings das fröhliche Pflügen, bei dem der Einklang zwischen Pflug, Pferd und Mann gefragt war. Zu allem Überfluß waren jedoch auch Frauen anwesend. Die Vorsitzende des „Rats für den Status von Frauen“, Carmel Foley, bezeichnete die „Nationale Pflug-Vereinigung“ (NPA) als sexistisch, weil sie zum Abschluß der dreitägigen Meisterschaften eine „Königin des Pfluges“ wählen ließ. Foley forderte, daß es dann auch einen König des Pfluges geben müßte. Aber es kam noch schlimmer. Während es in der englischen Sprache bei den meisten Berufsbezeichnungen gar keinen Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Form gibt, hat sich die NPA eine besondere Gemeinheit ausgedacht: Sie nennt pflügende Frauen offiziell „Farmeretten“, was soviel wie „Bäuerchen“ bedeutet. Die NPA-Direktorin – oder Direktorette?– Anna McHugh wies Foleys Kritik daran weit von sich: „Das ist ein wunderschöner Name, den wir schon seit den fünfziger Jahren verwenden und keinesfalls ändern werden“, sagte sie. „In diesem Jahr nahmen mehr Farmeretten an den Wettbewerben teil als je zuvor.“ Unter anderem ihre eigene Tochter. „Sie ist eins von 19 Mädchen, das bei den Meisterschaften im Pflügen mitmacht“, meinte das stolze Mütterchen. Hinter der Siegerin sind alle ledigen Bauern her, und sie kann sich den größten Hof aussuchen. Im übrigen stehe es den Farmeretten frei, an den Wettbewerben für Männer teilzunehmen – „falls sie gut genug sind“.

Das trauen ihnen freilich in Irland nur wenige zu. Die Iren sind Europas Sexisten Nummer eins – und das ist amtlich. Laut einer Umfrage der Europäischen Kommission glaubt gerade mal die (vermutlich weibliche) Hälfte der Befragten, daß Frauen im Berufsleben die gleiche Leistung wie Männer bringen. Das ist allerdings kein Grund für Hochmut: In den alten deutschen Bundesländern sind es auch nur 58 Prozent. Es wird Zeit für eine Kanzlerette.

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