: Abschiebemaschinerie rollt
■ Hamburg schickte ab Mitte August in fünf Wochen 43 Kurden in die Türkei zurück
in die Türkei zurück
Nizmettin K. ist 20 Jahre alt. Vor vier Jahren flüchtete er als minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling — so das Amtsdeutsch — aus Kurdistan nach Hamburg. Inzwischen hat er sich eingelebt, steckt mitten in einer Ausbildung zum Installateur bei den Autonomen Jugendwerkstätten. Sein Asylantrag wurde von einem Verwaltungsrichter abgelehnt, dennoch hatte Nizmettin noch ein wenig Hoffnung auf eine Zukunft in Hamburg. Seit dem 10.August ist damit Schluß: Als erstes Bundesland hat Hamburg den Abschiebestopp für Kurden aufgehoben, auch Nizmettin soll jetzt ausreisen. Was den 20jährigen in seiner Heimat erwartet, schilderte gestern eine Delegation aus AnwältInnen, Mitgliedern von amnesty international und der IG Medien, die soeben von einer Türkeireise zurückgekehrt ist.
„Kurdistan ist ein besetztes Gebiet. Überall stehen deutsche Panzer und türkische Soldaten, die mit deutschen G3-Gewehren ausgerüstet sind“, berichtete die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke im Rahmen der GAL- Pressekonferenz. In Gesprächen mit Anwälten und betroffenen Familien habe sich bestätigt, daß die türkische Regierung weiterhin mit offener Gewalt gegen die kurdische Bevölkerung vorgeht. Heinicke: „Im Staatssicherheitsgericht Diyabakir werden Massenverurteilungen vorgenommen, weil die Angeklagten die PKK (Kurdische Arbeiterpartei) angeblich mit Nahrung und Kleidung unterstützt haben.“
Hamburgs Innensenator Werner Hackmann hatte sich im August trotzdem für die Aufhebung des Abschiebestopps eingesetzt. Begründung: Die Kurden würden in die Westtürkei ausgeflogen, dort bestünde keine Verfolgung. Eine Aufassung, der die Mitglieder der Delegation vehement wiedersprechen. „Die Patriotische Anwaltsvereinigung in Istanbul schilderte uns glaubhaft, daß Verhaftungen und Folter von Menschen an der Tagesordnung seien, deren Geburtsort im kurdischen Gebiet liegt“, so Heinecke.
Selbst der Bericht des Auswärtigen Amtes, auf dem die Entscheidung Hackmanns beruhte, deutet an, daß es „Anzeichen dafür gibt, daß in bestimmten Ballungsgebieten Kurden eher als andere türkische Staatsangehörige vorläufig festgenommen oder verhaftet werden“. Trotzdem läuft die Hamburger Abschiebemaschinerie auf vollen Touren. Zwischen dem 10.August und dem 15.September wurden bereits 43 Menschen abgeschoben. Wieviele derweil in Abschiebehaft sitzen, mochte der Senat auf Anfrage der GAL-Abgeordneten Anna Bruns nicht beantworten. „An der zunehmenden Zahl von Petitionen kann man aber erkennen, daß es sich um eine richtige Abschiebewelle handelt“, so Anna Bruns.
Die GAL forderte den Senat auf, einen sofortigen Abschiebestopp für Kurden zu erlassen, und sich für die Einstellung deutscher Waffenlieferungen an die Türkei einzusetzen. Außerdem solle sich der Innenausschuß der Bürgerschaft in einer Anhörung über die Situation der Kurden informieren lassen. Sannah Koch
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