Nie bruchlos in der Gegenwart

■ Israelische Literaturtage mit einer Matinee im Logensaal der Kammerspiele beendet

mit einer Matinee im Logensaal der Kammerspiele beendet

„Kaddish“ – Totenklage – überschrieb der israelische Lyriker Oded Peled eines seiner Gedichte, das er „für seinen Vater Josef Schönfeld“ schrieb. Immer wieder setzt hier der Sohn mit dem Versuch einer Erinnerung an, immer wieder mischt sich in seine Sprache die andere Erinnerung ein – des Vaters Vergangenheit vergeht sich weiterhin an der Sprache des Sohnes. Ein Wort wie „Nationalbibliothek“ ist kein unschuldiges mehr.

Die Israelischen Literaturtage in Hamburg sind gestern mit einer Matinee in den Kammerspielen zu Ende gegangen. Das Ensemble des Theaters las aus Romanen und Gedichten der israelischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die auf Einladung der Öffentlichen Bücherhallen in Hamburg weilten. Die Autoren saßen diesmal selbst im Publikum und nicht am Lesepult, denn die Abschiedsveranstaltung fand einsprachig auf deutsch statt – anders als die Einzellesungen an den vorigen Abenden, als aus den hebräischen Originaltexten von David Schütz, Nurit Kahana, Oded Peled, Zruia Shalev, Jaakov Besser, Agi Mish'ol, Eyal Megged und Asher Reich vorgetragen wurde.

Zwar verzichteten die Veranstalter auf das sprachliche Klangspiel zwischen „Eigenem und Fremden“, präsentierten aber dafür dem Publikum ein stilistisches und thematisches Mosaik im Zusammenspiel der unterschiedlichen Texte. Die kreisen um Leben, Liebe, Tod und Erinnerung – doch die bekannten Themen absuchend mit einer Sprache, die alltäglich spricht und trotzdem poetisch. Und mit einer Sprache, die von der Gegenwart erzählen will, aber nie bruchlos nur von der Gegenwart erzählen kann. „Aus Zypressenästen brachen Weißpappeln hervor“, heißt der letzte Satz im Gedicht „Nächtlicher Rückzug“ von Jaakov Besser. Er könnte eine Metapher sein für etwas, in das die Israelischen Literaturtage einen Einblick gegeben haben.

Es ist kein Zufall, daß als Veranstaltungsort für die Abschiedslesung der ehemalige Logenraum der Kammerspiele gewählt wurde. Er diente bis Ende 1935 als kulturelles Zentrum für die Hamburger Juden, war sogar danach noch ein Mittelpunkt im übriggebliebenen, gettoisierten jüdischen Kulturleben in Hamburg, bis die Nazis den Saal am 11. Juli 1942 als Sammelstelle für einen Transport nach Auschwitz benutzten. Dorothea Schüler