: Ludwigs trister Triumph
■ Der Geraer Radprofi Olaf Ludwig wurde Weltcup-Sieger 1992/ Das Finale, ein kärglich besetztes Einzelzeitfahren auf Mallorca, geriet zum Trauerspiel
Palma de Mallorca (dpa/taz) – Als Olaf Ludwigs letzter einigermaßen ernsthafter Konkurrent für den Gesamtsieg im Rad-Weltcup, der Mexikaner Raul Alcalá, seinen Start beim Finale auf Mallorca wegen einer Erkrankung absagen mußte, war klar, daß der Pokal dem Geraer nicht mehr zu nehmen sein würde. Zu groß war sein Vorsprung vor den Favoriten des Einzelzeitfahrens über 56,5 km zwischen Palma und Llucmajor, wie dem Schweizer Tony Rominger oder Weltmeister Gianni Bugno aus Italien.
Da machte es auch nichts, daß Ludwig einen schlechten Tag erwischt hatte. „Ich bin mit meiner Leistung heute nicht zufrieden, besonders schlimm waren die letzten 20 Kilometer mit enormem Gegenwind“. Als 14. der 18 gestarteten Fahrer kam der 32jährige mit vier Minuten Rückstand auf den Sieger Johan Bruyneel (Belgien) ins Ziel. Damit war Ludwig der vierte Gewinner des Weltcups nach dem Iren Sean Kelly (1989), dem Italiener Gianni Bugno (1990) und dessen Landsmann Maurizio Fondriest (1991), für den Thüringer das „I-Tüpfelchen meiner Top-Saison“.
Auf seinem Triumphzug durch das Jahr 1992 verbuchte der künftige Kapitän des deutschen Rennstalls „Telekom“ hochkarätige Siege: Am 25.April gewann Ludwig mit dem „Amstel Gold Race“ den ersten Klassiker in seinem dritten Jahr als Berufsfahrer, im Mai die „Vier Tage von Dünkirchen“, im Juni zwei Etappen bei der Tour de Suisse, am 26.Juli die prestigeträchtige Schlußetappe der Tour de France auf den Pariser Champs Elysées.
Eine finanzielle Auszeichnung für den Sieg in der Gesamtwertung mit 126 Punkten vor Tony Rominger (103 Punkte) blieb aus. „Ich finde es sehr komisch, daß jeder Sieger der elf Weltcup-Rennen 15.000 Schweizer Franken als Siegprämie erhält, der Gewinner in Mallorca sogar das Doppelte. Der Gesamtsieger des Weltcups wird aber völlig leer ausgehen. Ich fahre das ganze Jahr für den Weltcup Reklame und bekomme dann nichts — das geht doch nicht“, beschwert sich Ludwig.
„Ich verstehe das Gezeter darüber nicht“, hält Weltverband-Präsident Hein Verbruggen (Niederlande), der dem Weltcup-Finale nur noch kurze Lebenszeit prophezeit, dagegen. „Im März haben wir erklärt, daß es diesmal für den Gesamtsieger kein Preisgeld geben wird, weil sich unser Sponsor zurückgezogen hat. Alle haben das damals akzeptiert“.
Das Fehlen des kurzfristig erkrankten Alcalá machte das Finale zusätzlich zur Farce. Die Profis betrachteten den Gang nach Mallorca als lästige Pflichtübung und blieben in großer Zahl zu Hause. Nur neun Fahrer der zwanzig Startberechtigten nahmen den Kampf gegen die Uhr auf.
Dazu kamen noch einmal genauso viele Profis, denen der Weltverband kurzfristig eine „wild card“ gegeben hatte, damit überhaupt ein reguläres Rennen zustandekommen konnte. An der Strecke und selbst im Start- und Zielbereich an der malerischen Uferpromenade von Palma de Mallorca verloren sich bei strahlendem Sonnenschein nur wenige Fans.
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