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Urlaub im Krisengebiet

■ Eine Ausstellung von Olaf Metzel in der Hamburger Kunsthalle

Die Elbmetropole Hamburg rüstet ihr kulturkritisches Potential gewaltig auf. Die Metzel-Arbeit „Wurfeisen und Zwille“ (Entwurf Hafenstraße) 1991 für einen Metzel-Raum der Kunsthalle angekauft, kann nun in einer 10er-Auflage als gußeiserne Edition für 2.400 DM im Museumsshop erstanden werden. Einen Katalog und eine Ausstellung dazu gibt es auch. Im Kuppelsaal hängen kunstvoll verknotete Kletterseile, Campingzelte und Tarnnetze aus Beständen der Bundeswehr. Olaf Metzel beherrscht die Kunst und Courage des Marketenders. Er hat mit dieser Gabe einen Abenteuerspielplatz für Erwachsene entstehen lassen, denen der wirkliche Krieg nicht vergönnt ist. Schon die Dead Kennedys hatten dem militaristischen Urtrieb vor Jahren einen Song gewidmet: „Holiday in Cambodia“. Der Tourismus in Krisengebiete rückt näher, heute findet der Krieg auf dem Bildschirm oder nach Feierabend in Rostocker Vorgärten statt. Die Wärterin in der Rotunde muß aufpassen, daß kein übereifriger Besucher sich an der Rauminstallation emporschwingt. Die Berührung bleibt verboten, der Feindkontakt imaginär. Entnutzt und vernetzt will die Arbeit mit dem Titel „Im Grünen“ wenigstens für die Kunstgeschichte als wegweisendes Symbol einer allzu schnell vergehenden Gegenwart erhalten bleiben.

Die momentane politische Entwicklung scheint einen Pakt mit den Exponaten der Metzel-Ausstellung einzugehen. Im Rückblick werden die Medien 1992 als Wiedergeburt der politischen Kultur werten. Bonn arbeitet ein zeitgemäßes Gewand des Grundgesetzes aus: Eindämmung des AsylantInnenzustroms, Ausdehnung des Aktionsradius der Bundeswehr. Von deutschem Boden soll keine Krise ausgehen. Wie es sich für einen Künstler der Avantgarde ziemt, hat Olaf Metzel seine Variante der Geschichte bereits im Oktober in Szene gesetzt. Deutschland im Herbst auf der Spur: Ausländerhaß, Freizeitrassismus und mittendrin der Künstler mit seinem Recht auf Darstellung. Doch die Differenz zwischen Abbild und Ereignis eilt ihm davon.

Metzel setzt der Geschwindigkeit des Informationsflusses den Installationsraum als monolithische Trutzburg langsamen Begreifens entgegen. Nur selten haben seine ins Museum geworfenen Fundstücke eine ähnlich erdrückende Präsenz besessen wie die Ausstellungsstücke, mit denen er die Hamburger Kunsthalle beklemmend angefüllt hat. Wenn das Erhabene tatsächlich als Vorbote des Terrors (und nicht als Wendepunkt hin zur Parodie) in Erscheinung tritt, dann verschmelzen hier der Terror der Darstellung des Dargestellten auf beängstigend- beengende Weise. Für „Sammelstelle“ wurde einer der Museumsräume vollständig mit verzinktem Wellblech ausgekleidet. In seiner totalen Erscheinungsform biegt er den gewollt spaßigen Bericht zurecht, den die Süddeutsche Zeitung im Magazinteil über multifunktionale Containerbauten abgedruckt hat: „Ab in die Kiste“ holt das ironische Apercu zurück auf den Boden der Realität. Das Environment von Metzel setzt anstelle des feuilletonistischen Wortwitzes auf die Durchschlagskraft des Realen. Die nüchterne Bezeichnung „Sammelstelle“, die Metzel als Titel für das Exponat gewählt hat, zeugt darüber hinaus von der ungebrochenen Tradition solcher Behausungen mit den Schnellbauten der Konzentrationslager im Dritten Reich. Dabei zeugt der Künstler als Architekt des wiederkehrenden Unterbewußten symbolisch nur von einer Seite des kollektiv verdrängten Holocaust. Mit der Präsentation im Museum ereilt ihn auch die Tragik des Double-bind: Metzel holt die Geschichte ein und umgekehrt. Während frühere Arbeiten wie „Stammheim“, 1984 als Rückgriff auf die Ereignisse von 1977 ausgeführt, in ihrer Zeitstruktur auf Distanz zum Erinnerten gingen, beziehen die neuen Arbeiten ihre Durchschlagskraft aus der Anbindung an die aktuellen Geschehnisse. Deshalb hemmt die Präsentation im Museum die Sprengkraft des Dargestellten. Bislang hatten die Installationen von Olaf Metzel ein Wagnis im öffentlichen Raum verkörpert, an vorderster Stelle die aufgetürmten Absperrungsgitter auf dem Ku'damm, mit denen er 1987 den Skulpturenboulevard anläßlich der 750-Jahr-Feier skandalträchtig mit den Erinnerungsstücken aus der Zeit des Häuserkampfes geschmückt hatte.

Die kriminologisch anmutende Spurensicherung, die Metzel sonst direkt am Tatort wiederholt hatte, verkümmert im Kunstraum zum puren Schauplatz eines allzu bekannten Imaginären, dessen Geschichte Gefahr läuft, sich in der Präsentation zu verlieren und aufzulösen. Denn gerade an früheren Installationen hatte das dissidentische Bekenntnis provoziert, nun aber erschrecken die Exponate eher wegen des Konsens, den sie bereithalten: Jede/r gute BürgerIn distanziert sich von Hooligans aller Couleur, alle finden es traurig, daß AsylbewerberInnen in Aluminiumverschlägen untergebracht werden. Man muß vorsichtig sein: Metzels Kunstmonolithen verdoppelten das passive Genießende des politisch korrekten Bewußtseins. Wer traut sich ran: Mit 2.400 DM ist Kunst und Moral bezahlbar. Harald Fricke

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