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Rushdie: „Schweigen ist immer falsch!“

■ Bei seinem ersten Deutschlandbesuch stellte sich der verfolgte Schriftsteller den Fragen der taz

Bonn (taz) – Nach seinen Reisen durch Dänemark, Norwegen, Spanien und Finnland, die er seit März unternahm, ist Salman Rushdie jetzt überraschend auch nach Bonn gekommen, um mit Politikern über seine Situation zu sprechen – denn auch nach dreieinhalb Jahren ist Ajatollah Chomeinis Morddrohung gegen den Schriftsteller, seine Verleger und Übersetzer immer noch nicht aufgehoben. „Solange das Problem da ist“, sagt Rushdie in einem Interview mit der taz, das gestern mittag in Bonn stattfand, „muß auch der Protest da sein, sonst wird das Problem immer schlimmer.“

Seine Reisen, auf denen er das Problem dem Vergessen entreißen will, haben, so meint er, „einen Einfluß auf die Politik, sogar auf die Regierungspolitik“. So seien in Norwegen die Politiker nach seinem Besuch dort „weit aktiver geworden“.

Die deutschen Politiker hat Rushdie nach seinen eigenen Worten aufgefordert, ihre „sehr engen Wirtschaftsbeziehungen zum Iran – und die wird es wohl kaum abbrechen“ – zu nutzen: „Deutschland ist für den Iran viel wichtiger als der Iran für Deutschland. Die Deutschen sollten also ihren Einfluß geltend machen und sagen: Hier ist ein wichtiges Thema, das uns am Herzen liegt und das euch interessieren sollte, wenn ihr gute Beziehungen zu uns wollt.“

Der Besuch in Bonn fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Alle Treffpunkte mit Rushdie wurden jeweils erst kurz zuvor bekanntgegeben, Sicherheitsbeamte in Zivil bewachten mit schußbereiten Waffen die Eingänge. Das für seine Sicherheit zuständige Innenministerium in Düsseldorf ließ verlauten, man nehme die Morddrohungen „genau so ernst wie 1989“.

Rushdies Besuch in Bonn organisierte die Ex-Grüne und heutige Bundestagsabgeordnete der SPD, Thea Bock, die auch Rushdies Treffen mit Björn Engholm am Montag vermittelte. Engholm sagte Rushdie, wie dieser im taz-Interview erklärte, die Unterstützung der SPD zu und versprach, das Thema in den europäischen Schwesterparteien und im Bundestag anzusprechen.

Gestern war Salman Rushdie außerdem im Auswärtigen Amt zu Besuch. Allerdings in Abwesenheit von Außenminister Klaus Kinkel, der sich zur Zeit auf Chinareise befindet; auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth wollte sich noch gestern mit ihm treffen.

Am Montag abend lud Rushdie außerdem Vertreter des deutschen PEN-Clubs (und die taz) zu einem Abendessen in ein Bonner Restaurant. Auch hier ging es unter anderem um mögliche Kampagnen zur Unterstützung seines Anliegens.

Bei Lachs und Kalbsfilets machte Salman Rushdie aber auch einen bösen Witz über John Major: „Kann man einem Mann die britische Regierung anvertrauen, der seinen Schnurrbart nach innen trägt?“

Überhaupt war Rushdie beim Abendessen aufgeräumter Stimmung. Er erzählte Anekdoten aus dem Literaturbetrieb und äußerte sich sehr erfreut über den Nobelpreis für den karibischen Lyriker Derek Walcott, der einer seiner Lieblingsschriftsteller sei. Mit Lew Kopelew, der auch anwesend war, diskutierte er lange über den Tod von Petra Kelly und Gert Bastian.

Auf die Frage, ob er Angst habe, antwortete er: „Natürlich hatte ich direkt nach der Morddrohung Angst. Aber ich habe eine erstaunliche Erfahrung gemacht – man kann sich entscheiden, keine Angst zu haben. Das hätte ich vorher nie gedacht. Man kann mit Angst aufstehen, den Tag verbringen und zu Bett gehen. Man kann aber auch aufwachen und sich sagen: Nein, ich denke gar nicht daran, Angst zu haben. Komischerweise geht das.“

Thierry Chervel Tagesthema Seite 3

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