: Mainzer, Makler, Mafia – eine Mieterszene
■ Wohnungsbesichtigung in der ehemals besetzten Mainzer Straße 3/ 24 Mark pro Quadratmeter für ein „amerikanisches“ Hinterhausappartement/ Ini beauftragt Anwalt
Friedrichshain. Während die Schlange der Wohnungssuchenden in der Scharnweberstraße die Öffnungszeiten der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain geduldig respektiert, schlängeln sich dubiose Gestalten heimlich daran vorbei in Richtung Mainzer Straße. Besetzung? Um zwei Jahre verfehlt! Wohnungsbesichtigung! „Erstbezug, in repräsentativem Altbau, Friedrichshain, Warmmiete DM 853“, hieß es in einer Anzeige der Berliner Zeitung.
Die Mainzer Straße, vormals bunt und bitter für die Bürger, ist nun nahezu vollständig vermietet, bis auf das Haus Nummer 3. Das war schon privat als die Polizei räumte, illegal, wie ein Gericht befand, weil die Eigentümerinnen, zwei ältere Damen, keinen Strafantrag stellen wollten. Ob es daran lag, daß es sich bei der „3“ um ein Frauen- und Lesbenhaus handelte, konnte die taz gestern nicht abschließend klären. Die Damen jedenfalls verkauften, die neuen Besitzer modernisierten, und ab Montag darf gewohnt werden.
„Treten Sie doch näher.“ Ein Herr, Vollbart („Mein Name ist Kossatz“) weist den Weg zum Hinterhaus. „Frau Scherbel von der Maklerfirma „check in“ ist leider nicht hier, aber vielleicht kann ich Ihnen als Bauleiter weiterhelfen?“ Er kann. Wie ein „Weißer Riese“ ragt das Quergebäude in den naßgrauen Himmel. Man hat sich Mühe gegeben. Am dritten Stock wurde etwas wie ein Balkon angedeutet, die Wohnung selber, apart, mit Teppichboden, Kochnische und – Herr Kossatz flüstert es beinahe etwas verschämt – „Naßzelle“. „Die Leute wollen es halt jetzt etwas amerikanisch.“ Den Tagesspiegel in der Hand und mit vergewisserndem Blick aufs Jackett trete ich die Offensive an: „Waren hier nicht mal diese Besetzer?“ „Ich kann ihnen sagen“, Herr Kossatz verschluckt sich beinahe, „hier war sogar der schwarze Block, Sie wissen schon, diese Chaoten aus Westdeutschland.“ Ich weiß. „Und die Miete?“ „853 Mark für, ich hab g'rade nachgemessen, fünfunddreißig Quadratmeter.“ Das geht, befinde ich, und interessiere mich dann doch lieber – Offensive! – für die Dreiraumwohnung im Vorderhaus. (Wenn mir nur nicht immer dieser lästige Konkurrent im Nacken säße.) „Die ersten beiden Etagen stehen hier leider nicht zur Verfügung“, bedauert Herr Kossatz, „hier zieht ein Architektenbüro ein und in die zweite kommt das Büro der Eigentümer.“ Zweckentfremdung, denke ich, Mietwucher, unlautere Methoden und bin entzückt: „Das ist, was ich suche.“ Ob es denn besser sei, sich bei Frau Scherbel zu bewerben oder gleich beim Generalübernehmer? „Wenn sich mich so fragen...“ Herr Kossatz setzt sein bestes Sie- wissen-schon-Lächeln auf, „...schaden kann das nichts.“ Ich notiere mir noch: Imago Immobilien, Paetschstraße 8a, 1-49 und wundere mich über die identische Telefonnummer mit der Vermieterfirma, einer „Mainzer Drei Immobilien“ in der Gasteiner Straße 13.
Inzwischen hatte sich auch der schwarze Block im Treppenhaus eingefunden. „Unverschämt“, schimpft Herr Kossatz und droht mit der Polizei. Ich pflichte ihm bei. Artig verabschiede ich mich und erfahre erst auf der Straße, daß das Scheusal, das mich auf Schritt und Tritt verfolgte, der Undercover-Anwalt eines Mieterladens war. Die Mieterinitiative in der Bänschstraße kündigte gegenüber der taz inzwischen die Prüfung gerichtlicher Schritte wegen Mietwucher und Zweckentfremdung gegen die Eigentümer an. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen