: „Die Flüchtlinge am Waterloo- Ufer sind selber schuld“
■ Ausländerausschuß diskutierte über Warteschlangen
Rathaus Schöneberg. Die Warteschlangen am Waterloo-Ufer scheinen sich aufgrund des Drucks von vielen Seiten nun doch langsam zu verkleinern. Seit Anfang dieser Woche, so berichtete die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern dem Ausländerausschuß, würden Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien auch an jenem Tag abgefertigt, an dem sie sich anstellen. Die Stadträtin blieb jedoch bei ihrem auch in der taz geäußerten Verdacht, die CDU-geführte Senatsverwaltung für Inneres habe das Chaos der vergangenen Wochen inklusive nächtelanger Warterei von Erwachsenen und Kindern „billigend in Kauf genommen“. In den Augen der deutschen Bevölkerung sei dadurch der Eindruck erzeugt worden, „als ob Ausländer unsere Stadt überschwemmen würden, obwohl immer wieder dieselben anstanden.“ Angesichts der „Organisationskraft der Innenverwaltung“ und der „deutschen Bürokratie“ könne sie sich nicht vorstellen, daß hier „pure Unfähigkeit“, diese Zustände zu beseitigen, geherrscht habe. Für die Zukunft wünsche sie sich eine sehr viel bessere Kooperation unter den Behörden.
Auch Innenstaatssekretär Armin Jäger (CDU) nannte das Amt am Waterloo-Ufer „unser Problemkind“, erkannte aber, weil sich seine Mitarbeiter ja bemühen und bemühen und bemühen, die Menschen aus Ex-Jugoslawien selbst als die wahren Verursacher jener Probleme. Erstens seien den dort Anstehenden in serbokroatischer Sprache gegen Geld falsche Wartenummern angedreht worden. Und zweitens wüte hier der „subjektive Faktor“: die Flüchtlinge müßten an das Buchstabensystem erst gewöhnt werden, das ihnen garantiere, am Tag der Vorladung auch dranzukommen. „Wir können keinen 24-Stunden-Dienst einrichten, nur weil ein Stück Unvernunft dabei ist.“ „Die Schlangen sind eher ein Problem der Angst der Menschen, einen Stempel nicht zu bekommen oder abgeschoben zu werden“, wußte auch der CDU-Abgeordnete Roland Gewalt. „Die Angst aus Jugoslawien sitzt ihnen bestimmt noch in den Knochen.“ Deswegen würden sie sich weiterhin nachts anstellen, auch wenn „die Notwendigkeit nicht mehr gegeben ist“.
Angesichts der Rostocker Pogrome und der Asyldebatte sei es „grotesk“, antwortete der AL-Abgeordnete Ismail Kocan, die Ursachen immer „bei den Flüchtlingen und ihren Ländern zu suchen“. Und Thomas Seerig von der FDP befand, diese Ängste seien wohl „so unverständlich nicht“. Immerhin habe die Reinickendorfer Rep- Sozialstadträtin keine Sozialhilfe an die Flüchtlinge zahlen wollen und habe erst zurückgepfiffen werden müssen. „Was wollen Sie beim nächsten Mal besser machen?“, fragte er – ohne eine Antwort zu erhalten. usche
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen