piwik no script img

Die Eckensteher von München

■ Nachholspiel vom dritten Bundesliga-Spieltag: Glückliches 1:1 der Frankfurter Eintracht gegen Münchner Eckballspezialisten/ Bayern bleibt Spitzenreiter

Berlin (taz) – Es war schon ziemlich deutlich im Frankfurter Waldstadion, worauf das Angriffsspiel der Münchner Bayern angelegt ist: auf Eckenschinden. Wohl wissend, daß seine Stürmer äußerst selten dazu zu bewegen sind, den Ball ins Tor zu schießen, hat Trainer Erich Ribbeck offenbar die Devise ausgegeben, es gar nicht zu versuchen, sofern es irgendwie zu vermeiden ist. Den Gegner ein bißchen bedrängen, bis der das Leder hilflos ins Aus ballert, dann kommen die Abwehrrecken Helmer und Kreuzer gemächlich nach vorn geschlendert, und schon rappelt's im gegnerischen Kasten. Sechs ihrer sieben Auswärtstreffer haben die Münchner auf diese Weise erzielt.

Am Dienstag abend tat es einem geradezu in der Seele weh, mit anzusehen, wie der 38jährige Frankfurter Torwart-Grandseigneur Uli Stein in seinem Fünfmeterraum herumtaumelte, als befände er sich in einem Irrgarten, und eine Ecke nach der anderen unterlief. Seine Vorderleute waren praktisch nicht vorhanden, immer wieder landeten die von Ziege, Scholl oder Matthäus getretenen und von wechselnden Spielern per Kopf verlängerten Bälle auf den Bayern-Häuptern.

Zum Glück für die Hessen handelte es sich dabei meist um den Schädel Bruno Labbadias – eines Stürmers. Dessen besten Versuch vereitelte Stein, indem er die wuchtig geköpfte Kugel mutig mit dem Solarplexus abfing, woraufhin er einige Minuten arg nach Luft japsen mußte. In der 51. Minute war jedoch auch Steins Solarplexus machtlos, als Oliver Kreuzer einen von Mehmet Scholl abgelenkten Ziege-Eckball mit der Stirn zum 1:1 ins Netz jagte.

Dies war der Startschuß einer großangelegten Bayern-Offensive. In der ersten Halbzeit hatte die Eintracht die Partie noch ausgeglichen gestalten können, vor allem dank des ballgewandten Jay-Jay Okocha, der allerdings meist den idealen Moment zum Abspiel versäumte. Ohne Uwe Bein (verletzt) und den aus Ghana zurückgekehrten und darob erschöpften Anthony Yeboah („Ich habe 17 Stunden geflügt“) klappte im Sturm nicht viel, die beste Chance vergab Edgar Schmitt gleich nach 42 Sekunden. Mittelfeldspieler Rudi Bommer war es vorbehalten, kurz vor der Halbzeit mit einem ebenso brachialen wie präzisen Linksschuß aus 30 Metern die Frankfurter Führung zu erzielen.

Die zweite Halbzeit geriet zu einem einzigen Bayern-Sturmlauf, dem die Gastgeber auch mit Yeboah, der zwanzig Minuten vor Schluß eingewechselt wurde, nichts entgegenzusetzen hatten. „In den letzten 30 Minuten hatte ich das Gefühl, daß jeder Bayern- Spieler an meinen vorbeigehen kann, wo, wie und wann er will“, meinte Eintracht-Trainer Dragoslaw Stepanovic. Trotz eines erneut schwachen Matthäus lief das Bayern-Spiel bestens, nur das Tor zum verdienten Sieg wollte nicht fallen, was vornehmlich daran lag, daß die Münchner in der Schlußphase ihre Erfolgstaktik aus den Augen verloren. Anstatt auf Ecken auszugehen, versuchten sie doch wieder, direkte Treffer zu erzielen. Die beste Bayern-Chance vergab in der 70. Minute der eingewechselte Harald Cerny, der aus fünf Metern mit der ganzen Hast seiner 19 Jahre am Tor vorbeischoß.

Am Ende haderten die Bayern, obwohl sie punktgleich mit den Frankfurtern die Tabellenspitze behaupten konnten, erbittert mit ihrem Schicksal, Stepanovic hingegen durfte sich glücklich schätzen, einen Zähler gerettet zu haben. „Nur in Bestbesetzung können wir in der Spitze mitspielen“, lautete sein Fazit. Matti

Bayern München: Aumann - Thon - Kreuzer, Helmer - Jorginho, Matthäus, Wouters, Scholl, Ziege - Labbadia, Mazinho (66. Cerny)

Zuschauer: 59.500; Tore: 1:0 Bommer (45.), 1:1 Kreuzer (51.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen