Gen-Kartoffeln sollen auf deutsche Äcker

■ Forschungsinstitute wollen dicke Kartoffeln in Niedersachsen und Bayern testen

Berlin (taz) – Genforschung in freier Wildbahn – das Berliner „Institut für Genbiologische Forschung“ (IFG) und die niedersächsische Forschungsgesellschaft „Planta“ wollen im kommenden Jahr erstmals Kartoffeln und Zuckerrüben auf freiem Feld testen, deren Gene im Labor verändert worden sind. Das berichtete gestern Lothar Willmitzer, Geschäftsführer der IFG in Berlin.

Willmitzers Institut, das je zur Hälfte vom Berliner Senat und vom Pharmakonzern Schering getragen wird, hat die Kartoffeln in eigenen Gewächshäusern in Berlin-Dahlem gezüchtet. Bei einer der zwei entwickelten Sorten seien die Knollen bis zu 30 Prozent größer als bei gewöhnlichen Kartoffeln – der Ernteertrag könne erhöht werden. Die Knollen der zweiten Sorte enthalten nur noch eine von zwei Stärkearten und seien deshalb besser als bisher als Rohstoff für die Herstellung von Papier und Kunststoffolien geeignet.

Die „Planta“, Tochterunternehmen der niedersächsischen Kleinwanzlebener Saatzucht AG (KWS) in Einbeck, will gentechnisch veränderte Zuckerrüben gegen bestimmte Krankheiten widerstandsfähig machen. Die Berliner Labor-Kartoffeln sollen auf einem Acker des Saatzuchtunternehmens im Landkreis Northeim, die Rüben auf dem selben Feld und auf einer bayerischen Versuchsfläche ausgesetzt werden. Nach Willmitzers Angaben bestehe keine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Auch sei es nahezu ausgeschlossen, daß sich die Knollengewächse unkontrolliert vermehren oder die aus dem Labor kommenden Erbanlagen durch Insekten und Mikroorganismen weitergegeben werden.

Die für die sogenannten Freisetzungsversuche benötigten Genehmigungen sollen vor vierzehn Tagen beim zuständigen Bundesgesundheitsamt in Berlin (BGA) beantragt worden sein. Dort und an den Versuchsorten seien demnächst Teile der Anträge der Öffentlichkeit zugänglich, berichtete der Geschäftsführer des IGF. Betroffene müßten innerhalb weniger Tage ihre Bedenken anmelden. Willmitzer rechnete für Anfang 1993 mit dem vorgeschriebenen Anhörungsverfahren.

Sollte das BGA die Experimente genehmigen, dürften in der Bundesrepublik zum zweiten Mal genmanipulierte Pflanzen in der Natur getestet werden. Vor drei Jahren wurden bereits Petunien ausgesetzt, die statt weiß lachsrot blühen sollten. In der Schweiz seien Freisetzungsversuche auf massive Kritik gestoßen, berichtete Floriane Koechlin vom „Baseler Appell“. Ihre größte Sorge: Bei genmanipulierten Pflanzen, die Viren widerstehen sollen, könnten sich ganz neue Viren bilden. Dirk Wildt

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