: Fröhliche Wissenschaft
■ Protest gegen „Gefälligkeitsgutachten mit rassistischem Inhalt“ zu Roma
Köln (taz) – Am Dienstag besetzten etwa dreißig Roma und deutsche UnterstützerInnen für eine Stunde das Bundesinstitut für osteuropäische und internationale Studien in Köln. Die DemonstrantInnen warfen dem Institut vor, es gebe scheinwissenschaftlichen Flankenschutz für das Abschiebeprogramm von Roma nach Rumänien. Das Institut, finanziert durch das Bundesinnenministerium, wies dies zurück und sagte in einem einstündigen Gespräch zu, die Vorwürfe gegen die kritisierte Untersuchung über die Lage der Roma in Rumänien zu prüfen. Der Abschiebevertrag, von Kritikern als „Deportationsvertrag“ gewertet, erlaubt ab dem 1.11. die „Rückführung“ von Asyl begehrenden Rumänen ohne Prüfung eines individuellen Asylanspruchs; Rumänien erhält für die Entgegennahme der Flüchtlinge 30 Millionen DM.
In der Studie, die in der Schriftenreihe des Instituts erschien, die in erster Linie an Parlamentarier, Verwaltungsfachleute und die Presse verschickt wird, heißt es: „Seit Jahren und in den letzten Monaten besonders sieht sich Deutschland einem wahren ,Ansturm‘ asylbegehrender Zigeuner aus Rumänien ausgesetzt. Man ahnt zwar, daß diese Begehren unbegründet sind, weiß aber in Unkenntnis von Geschichte, Gegenwart und Soziallage dieser ungebetenen Besucher mit ihnen nicht recht umzugehen.“ „Ein Problem sind diese Menschen gewiß – arme, unterprivilegierte und wenig zivilisierte Neuankömmlinge, deren Sehnsucht nach etwas materiellem Wohlstand zwar verständlich, deren Begehren nach ,politischem Asyl‘ aber zu hundert Prozent unbegründet ist.“
Das in diffamierenden und zum Teil rassistischen Wertungen formulierte Erkenntnisinteresse des Verfassers Wolf Oschlies, eines Mitarbeiters des Instituts, verstelle, so der Rom e.V. Köln, den Blick für die reale Lage der Roma. „Die Zigeuner, so schien es, sind geblieben, was sie in Rumänien immer waren – naive Randfiguren bei allem, was das Land wirklich bewegte“, heißt es in der Studie. Und weiter: „Gelegentliche Ausschreitungen gegen Zigeuner wurden durch vorhergehende delinquente Handlungen der Zigeuner selbst provoziert.“ Daß der Verfasser anderslautende Untersuchungen von amnesty international oder der Gesellschaft für bedrohte Völker nicht einmal zur Kenntnis nimmt, verwundere angesichts des „latenten Rassismus“ Oschlies' nicht. Auf die Frage, weshalb er etwa Berichte von ai nicht in seine Untersuchung einbeziehe, erklärte Oschlies, er halte „diese Vereinigung für schlichtweg unseriös“.
„Selbst die Leiden der Roma im Nationalsozialismus leugnet der Autor“, erklärte Fatima Hartmann vom Rom e.V. In der Studie heißt es: „Aus dem Zweiten Weltkrieg sind keine schwerwiegenden Übergriffe auf die rumänischen Zigeuner bekannt. Zwar gab es deutsche Vernichtungspläne gegen ,Balkan-Zigeuner‘, auch bestand im KZ Auschwitz ein eigenes Zigeunerlager, dessen Insassen in einer einzigen Nacht liquidiert wurden, doch scheint das speziell die rumänischen Zigeuner nicht weiter tangiert zu haben.“ Demgegenüber werde im seit zwanzig Jahren bekannten Standardwerk von Kenrick/Puxon, „Sinti und Roma im NS-Staat“, nach detaillierten Schilderungen das Resümee eines Untersuchungsberichts in den fünfziger Jahren zustimmend mitgeteilt: „Annähernd 36.000 Zigeuner fielen dem faschistischen Antonescu-Regime zum Opfer.“ Oschlies war das Buch allerdings „bisher nicht bekannt“.
Die DemonstrantInnen forderten, die Studie nicht weiter zu verbreiten und ihren Adressaten Alternativgutachten zuzuschicken. Das Institut solle ein Symposium unter Beteiligung insbesondere von Roma-Vertretern aus Rumänien veranstalten. Albrecht Kieser
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