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Oberverwaltungsgericht macht Schulpolitik

■ Bremer Eltern bekamen Recht: Entscheidung für Freiheit der Schulwahl / Bildungsbehörde prüft Urteil

Ein langer Streit in der Bremer Schulpolitik hat möglicherweise sein Ende gefunden. Das bremische Oberverwaltungsgericht hat in dieser Woche entschieden, daß Eltern prinzipiell das Recht auf freie Schulwahl für ihre Kinder haben. Und daß die Bildungsbehörde sehr genau begründen muß, wenn es Kindern den Eintritt in die gewünschte Schule verweigern will. Die Bremer BildungspolitikerInnen werden sich einiges ausdenken müssen, um den Forderungen gerecht zu werden, die sich aus dem Urteil ergeben können.

Ein Schüler aus dem Steintor, nennen wir ihn Nils B., sollte nach der vierten Klasse im vergangenen Sommer bei der Gesamtschule Mitte eingeschult werden. Das wollten zumindest seine Eltern, und die Eltern von 83 anderen SchülerInnen in Nils' Jahrgangsstufe wollten das für ihre Kinder auch. Doch als die Post die Briefe der Schule brachte, gab es dreißigmal lange Gesichter: 54 Plätze bei 84 Anmeldungen. Nils kam erst auf die Warteliste und am Ende doch auf eine andere Schule. Sechs Kinder von der Warteliste durften noch nachrücken,weil die Frequenz der drei AnfängerInnenklassen der GSM kurzfristig von 18 auf 20 erhöht worden war. Nils war nicht dabei.

Das wollten sich Nils Eltern nicht gefallen lassen. Sie klagten und wollten eine einstweilige Anordnung auf Aufnahme in die fünfte Jahrgangsstufe in der GSM. In der ersten Instanz unterlagen sie noch, aber das Oberverwaltungsgericht gab ihnen jetzt recht. Nils kommt in die Gesamtschule.

In dem Urteil spricht sich das Gericht eindeutig für die prinzipielle Freiheit der Schulwahl aus. Der Vertreter des Bildungssenators hatte argumentiert, Freiheit der Schulwahl bestünde darin, daß das Land eine Schule zur Verfügung stelle, die einen Bildungsgang bis zum Abitur prizipiell ermöglicht. „Das ist keine Schulwahl, das ist die Begründung der Schulpflicht“, sagte dagegen der Klägeranwalt Martin Stucke. Das Urteil stellt fest, daß „den Eltern eines schulpflichtigen Kindes von Verfassung wegen ein Wahlrecht zu(steht), das nicht mehr als notwendig begrenzt werden darf.“

Um die Begrenzung dieser Wahlfreiheit geht es im zweiten großen Streitpunkt: Darf ein Schüler an der GSM abgelehnt werden mit dem Hinweis, mit einer Klassenfrequenz von 18, beziehungsweise später 20 sei die Kapazität erschöpft? Darf er nicht, sagt das Gericht. Wenn es für eine Schule Ablehnungen wegen Überlastung gibt, dann müsse das sehr gut begründet werden. Diese Begründung hat das Gericht beim Bildungssenator vermißt.

Warum zuerst die Kapazitätsgrenze bei 18 festgelegt wurde und dann plötzlich bei 20, das sei völlig im Dunkeln geblieben. Und warum die Frequenz in Orientierungsstufen anderer Schulen im gleichen Zeitraum von 25 auf 27 SchülerInnen erhöht worden sei, das konnten die Richter mit den GSM-Zahlen gar nicht in Einklang bringen: „Eine stichhaltige Begründung für diesen erheblichen Unterschied hat die Antragsgegnerin nicht zu nennen vermocht“, heißt es im Urteil. „Daß das für Gesamtschulen typische Unterrichtskonzept bei einer maßvollen Erhöhung der Klassenfrequenz gefährdet wäre, erscheint wenig wahrscheinlich.“

Aus der Bildungsbehörde war gestern noch keine Stellungnahme zum Urteil zu bekommen. Werner Alfke, Sprecher des Senators: „Ich denke, daß noch geprüft wird, ob wir nicht eine grundsätzlichen Entscheidung herbeiführen wollen. Das war ja eine einstweilige Verfügung, und dieses Schiff hat ziemlichen Tiefgang.“ Jochen Grabler

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