■ Kommentar: Treptower Putschisten
Ein Skandal wird nicht durch ständige Wiederholung kleiner. Offenbar aber rechnen CDU und SPD in Treptow mit der Gewöhnung, wenn sie nun zum sechsten Male den Stadtratskandidaten des Bündnis 90 durchfallen ließen. Was dort praktiziert wird, ist die Diktatur einer Mehrheit. Es ist zugleich eine höhnische Vertauschung der Rollen, wenn dem Bündnis 90 nun mit dienstrechtlichen Mitteln gedroht wird, damit endlich ein genehmer Kandidat präsentiert wird. Die gegen Spatz vorgebrachten Argumente, er sei bezirksfremd und unqualifiziert, sind hanebüchen – sollte dies gelten, müßte es nahezu einen Exodus von Stadträten geben. Die Treptower Putschisten setzen sich unverblümt darüber hinweg, daß Parteien bei ihren Kandidatenvorschlägen entsprechend dem Bezirksverwaltungsgesetz lediglich formale Kriterien einhalten müssen. Das mag man kritisieren, hat Politiker ansonsten aber nie gestört. Eine eklatante Rechtsungleichheit aber ist es, wenn große Fraktionen gegenüber den kleineren ein Auswahlrecht für Stadträte beanspruchen, welches die kleinen Fraktionen ihrerseits nicht haben.
Der Konflikt, der auf dem rechtlichen Widerspruch fußt, daß Parteien nach Proporz Anrecht auf einen Stadtratsposten haben, der Kandidat aber auch von anderen Parteien gewählt werden muß, aber ist daneben auch ein Argument für ein politisches Bezirksamt mit klaren Mehrheitskoalitionen. Verstockt, wie die Treptower CDU und SPD sind, wäre es nun endlich an der Zeit, daß die Landesparteien eingreifen. Doch viel Hoffnung besteht da nicht: schließlich sind beide großen Parteien auf Landesebene derzeit damit beschäftigt, die PDS in die Ecke zu stellen. Es gibt genügend Gründe, die PDS für ihren verlogenen Kurs in Sachen Stasi zu kritisieren, dies rechtfertigt aber nicht die undemokratischen und rechtswidrigen Mittel, zu denen insbesondere die CDU zu greifen bereit ist. Merkwürdig berührt inmitten dieser Anschläge auf parlamentarische Rechte freilich, daß die Wahlen der „Republikaner“- Stadträte in vier Bezirken völlig problemlos verlaufen sind. Gerd Nowakowski
Siehe Interview Seite 22
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