Sanssouci: Betschlag
■ Gottesdienst in der Christuskirche Kreuzberg
In der evangelischen Christuskirche hat heute der große Reformer Martin Luther das Wort: „Mit unsrer Macht ist nichts getan“, läßt er seine Anhänger in einem Reformationslied singen, „wir sind gar bald verloren.“ Das sei ein in vielfacher Weise deutbarer Satz, weiß der Pfarrer. Ein schwieriges Wort, das uns womöglich mutlos machen könnte. Denn bedeutet dieser Satz nicht am Ende, daß wir selbst nichts bewegen können in dieser Welt? Oder will Luther uns trösten, will sagen: Schau her, nicht nur du, auch die anderen sind in ihrer Ohnmacht gefangen? Manch einen mag dieser Fatalismus gar wütend machen, denn bedeutet er letztlich nicht auch, daß jemand anderes Macht über uns hat? Ja, es ist eine harte Nuß, die Luther uns da hinterlassen hat. Wenn wir uns einmal mehr den höheren Mächten ausgeliefert fühlen, diesem scheinbar übermächtigen Staatswesen entmachtet gegenüberstehen, dann komme uns das Luther-Wort gerade recht: „Seht her, ich kann doch gar nichts tun!“
Aber natürlich kann es Luther so nicht gemeint haben, wir Christen sollten es wahrlich besser wissen! Selbstverständlich meinte der Kirchenreformer mit diesem Satz nur unser Verhältnis zu Gott, und deshalb ist das Sangeswerk auch weder ein Klage- noch ein Trotzlied. „Es ist ein Triumphlied, ein Siegesgesang für alle, die an den Sieger über alle Gewalten glauben“, mahnt uns der Pfarrer, Luther nicht mutwillig falsch zu verstehen. Denn alle Macht gehe von Gott aus, weiß der Geistliche, Gott lenkt uns, und gelegentlich gefällt es ihm, uns an seiner Größe teilhaben zu lassen. Dann wird uns ob seiner Kraft ein wenig Macht verliehen, aber wie alles Geborgte dürfen wir es nicht wirklich besitzen. Drum gilt es, uns immer wieder von unserer Mächtigkeit freizumachen, und natürlich sollten wir sie am besten mit unserem Nächsten teilen.
Abgeben als Gottesdienst. Alle Macht dieser Welt zurück in die Hände des Herrn. Denn er allein ist die wahre Weltmacht, eine Macht, die nicht vernichtet, nicht verachtet, sondern versöhnen will. Die Botschaft des Gottesdienstes ist doch irgendwie tröstlich – wenn man es glauben kann. Aber selbst dann bleibt es eine traurige Wahrheit, daß Gottes Reich nicht von dieser Welt ist. Und so müssen wir uns mit den Unbillen des Alltags, mit den kleinen und großen Ungerechtigkeiten, mit Kriegen und brennenden Asylantenheimen, mit Armut und unverdientem Reichtum, doch wieder selbst herumschlagen. Es ist eben nichts vollkommen. Klaudia Brunst
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