: Stolpes Stasi-Kontakte spalten Kirchenparlament
■ Die Evangelische Kirche räumt fragwürdige Nähe zur Macht in der DDR ein
Suhl (dpa) – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den wegen seiner Stasi-Kontakte umstrittenen früheren Kirchenjuristen und heutigen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Manfred Stolpe (SPD), weiter gestützt. Zugleich hat sie aber generell das Verhältnis zwischen Kirche und SED-Regime selbstkritisch hinterfragt. Es sei nicht allein die Schuld des einstigen Unterhändlers des DDR-Kirchenbundes, in „undurchschaubare und fragwürdige Nähe“ zum Machtapparat der DDR gekommen zu sein. Zu Beginn der Tagung des Kirchenparlamentes im südthüringischen Suhl kritisierte der Ratsvorsitzender Klaus Engelhardt gestern, daß nie nach dem „Preis“ für mehr Freiräume der Christen im sozialistischen Staat gefragt worden sei.
Es habe keine kirchenrechtliche Regelung für Verhandlungen und Begegnungen mit Vertretern der SED und der Staatssicherheit gegeben. Die kritischen Fragen an Stolpe richteten sich also stellvertretend an den Umgang der ostdeutschen Kirchen mit den Trägern sozialistischer Macht. Auch der Theologe Richard Schröder sagte, daß die „Konfliktvermeidungsstrategie“ der Ost-Kirchen einen Vorschuß an Vertrauen für Kirchenmitarbeiter beinhaltet habe. Diese Situation sei heute fatal und „nicht zum Vorzeigen geeignet“.
Engelhardt merkte in seiner Rede vor den 160 Vertretern der Synode an, daß die Meinungen über Stolpe geteilt seien. Eine „Front“ innerhalb der Kirche gehe sogar von einer „Geheimagentenlegende“ aus, nach der Stolpe von Anfang an eingeschleust worden sei. Allerdings halte der Rat der EKD daran fest, daß der frühere Konsistorialpräsident kein Mann der Stasi, sondern der Kirche gewesen sei.
Erstmals seit der Wiedervereinigung der 24 Landeskirchen tagt die Synode in einer ostdeutschen Stadt. Das Kirchenparlament repräsentiert rund 29 Millionen Protestanten. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) und Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagten in Grußworten, für die Wirkung der Kirche in der Gesellschaft sei es „von hohem Wert“, sich wahrhaftig und ehrlich der Vergangenheitsaufarbeitung zu stellen.
In der Auseinandersetzung um das Asylrecht hat Engelhardt zwei Gesetze für Flüchtlinge aus Kriegs-, Bürgerkriegs- und Katastrophengebieten, sowie für Flüchtende aus wirtschaftlichen Gründen gefordert. Er sprach sich für die „zeitweilige Aufnahme“ der Kriegsflüchtlinge aus und kritisierte, daß die Motive sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge mißachtet würden. Auch für sie bedürfe es einer Regelung.
Die Gesetze müßten zugleich Zuwanderungen begrenzen können. Das individuelle Grundrecht auf politisches Asyl und die Rechtswege-Garantie für Asylbewerber sollten in ihrem Wesen nicht angetastet werden.
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