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Berlins neuer SPD-Chef von Linken umzingelt

■ Fraktionschef Staffelt wird neuer Landesvorsitzender/ Linke dominieren den Vorstand/ Konfliktkurs gegen CDU-Koalitionspartner bei Verkehrspolitik erwartet

Berlin (taz) – Der Parteitag der Berliner SPD wählte am Samstag den Fraktionsvorsitzenden Ditmar Staffelt zum neuen Landesvorsitzenden. In einer Kampfabstimmung setzte er sich mit 178 zu 103 Stimmen gegen die Favoritin der Parteilinken Monika Buttgereit durch. Damit wurden die wochenlangen parteiinternen Auseinandersetzungen um die Nachfolge des wegen seiner Tätigkeit in einer Baufirma zurückgetretenen Walter Momper beendet.

Staffelts Freude über den Sieg währte allerdings nur zwei Stunden. Bei der Wahl seiner Stellvertreter erhielt lediglich die von ihm favorisierte Monika Höppner aus Ostberlin mit 194 Stimmen die erforderliche Mehrheit, die übrigen drei Stellvertreterposten wurden von Linken besetzt. Dabei erhielt die gegen ihn unterlegene Monika Buttgereit mit 225 Stimmen das weitaus beste Ergebnis. Auch bei der Besetzung weiterer Vorstandsposten dominierten die Linken, die ihre Leute zum Teil gegen den ausdrücklichen Willen Staffelts durchsetzten. Damit haben sich die Flügelkämpfe in der Berliner SPD, kaum daß sie mit Staffelts Wahl beigelegt schienen, wieder verschärft. Der Wortführer des rechten „Britzer Kreises“, der Staatssekretär Frank Bielka, sprach von einem Durchmarsch des fundamentalistischen Teils der Partei. Damit hätten sich die rückwärtsgewandten Positionen durchgesetzt, was zu einer Verschärfung der Situation, nicht nur in der Partei, sondern auch für die Regierung führe.

An der Interessenspolitik der Parteiflügel war schon Wolfgang Thierse gescheitert, der Mitte August als Nachfolger für den gerade zurückgetretenen Walter Momper gehandelt wurde. Die von ihm damals heftig kritisierte „verschimmelte Rechts-Links-Konfrontation“ führte danach zu einer Kampfkandidatur der Momper- Stellvertreterin und Parteilinken Buttgereit und des als linker Pragmatiker geltenden Staffelt, der von der Parteirechten favorisiert wurde. Während sich Buttgereit für eine eigenständige Profilierung der Partei gegenüber der von ihr mitgetragenen großen Koalition aussprach, setzte Staffelt darauf, sozialdemokratisches Profil innerhalb der Regierungsarbeit zu verwirklichen. Die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Regierungs- und Parteiarbeit kumulierte in Buttgereits programmatischer Forderung, Partei- und Fraktionsvorsitz strikt getrennt zu halten. Staffelt konnte sich gegenüber seiner Konkurrentin durchsetzen, weil die Ostberliner Bezirke fast vollständig hinter ihm standen. Sie stellen zwar mit 2.300 Mitgliedern nur ein Zehntel der Delegierten, haben jedoch ein ungleich größeres politisches Gewicht für die weitere Entwicklung des Berliner Landesverbandes. Zudem konnte Staffelt die Unterstützung von Teilen der Linken gewinnen, weil er als die profiliertere Führungspersönlichkeit gilt.

Staffelt wollte eigentlich als Landesvorsitzender mit einem eigenem Führungsteam antreten, um die Fraktionierungen der Partei zu durchbrechen. Daß er seine Personalvorstellungen nicht durchsetzen konnte, wurde von den Rechten bereits als Schlappe für ihn gewertet. Zukünftig ist damit sein Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. Es wird erwartet, daß die Partei ihn zu einem stärkeren Konfliktkurs gegenüber der CDU drängen wird. Vor allem bei der Verkehrspolitik deuten sich heftige Auseinandersetzungen an. Bei seiner Kandidatenrede warf Staffelt Verkehrssenator Haase (CDU) vor, mit Unfähigkeit und Starrsinn die Stadt ins verkehrspolitische Chaos zu stürzen. Er will wegen dessen Politik nun das Konfliktgremium der Regierungsparteien, den Koalitionsausschuß, einberufen. Dieter Rulff

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