: „Alternativregierung“ für Irak
Im kurdischen Salah ad-Din ging das größte Oppositionstreffen auf irakischem Boden zu Ende/ Größte Schiitenorganisation distanziert sich ■ Von Thomas Dreger
Berlin (taz) – Das bisher größte Treffen irakischer Oppositioneller auf irakischem Boden ging am vergangenen Samstag im kurdisch kontrollierten Norden des Landes zu Ende. Während der viertägigen Konferenz des „irakischen Nationalkongresses“ einigten sich rund zweihundert Delegierte darauf, daß das zukünftige politische System des Iraks auf „Demokratie und Föderalismus“ basieren müsse. Überschattet wurde das Treffen von dem massiven Vormarsch türkischer Panzer in den Nordirak.
Zu dem Kongreß im Hauptquartier der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) in Salah ad- Din waren Vertreter der kurdischen, nationalistischen, liberalen, kommunistischen, schiitischen und islamistischen Opposition gekommen. Nur einige Nationalisten aus Syrien blieben fern. Die Delegierten wählten einen aus 26 Personen bestehenden Exekutivrat, der als „alternative Regierung“ zur Führung Saddam Husseins agieren soll. Das Gremium wird Büros in Irakisch-Kurdistan und London unterhalten.
Vorsitzender des Rats wurde Ahmad Chalabi. Der laizistisch orientierte schiitische Iraker ist Bankier und wichtiger Finanzier des „Nationalkongresses“. Als Führung der irakischen Opposition wurden Massud Barsani, Hassan an-Nakib und Bahr Ulum bestätigt. Das Dreigestirn war schon Ende September gewählt worden. Barsani ist Vorsitzender der KDP. Der frühere General und irakische Botschafter Hassan an-Nakib vertritt die sunnitisch-arabische Bevölkerungsgruppe. Der schiitische Geistliche Bahr Ulum ist parteilos. Die größte Organisation der irakischen Schiiten, „Hoher Rat für die islamische Revolution im Irak“, distanzierte sich am Sonntag von dem „Nationalkongreß“. Aus dem Hauptquartier der Organisation in Teheran hieß es, die die größte irakische Bevölkerungsgruppe bildenden Schiiten seien in diesem Gremium nicht adäquat vertreten.
Die Kurden mußten in Salah ad- Din mit ihrer Forderung nach sofortiger Ausrufung eines föderativen Staates zurückstecken. Im Sommer hatten sie den Nordirak einseitig zum irakischen „Bundesland“ erklärt. Die Delegierten mochten den Föderalismus aber nur als Perspektive für die Zeit nach Saddam Hussein akzeptieren. Letztendlich müsse die irakische Bevölkerung darüber entscheiden, hieß es in einer Resolution.
Von den Golfkriegsalliierten forderten die Oppositionellen, die Flugverbotszone im Süden des Iraks ähnlich dem kurdischen Norden zur Schutzzone für die schiitischen Araber auszuweiten.
Unklar blieb, wie Saddam Hussein vom Präsidentensessel zu drängen sei. Chalabi erklärte, der Machtwechsel müsse friedlich vonstatten gehen. Viele Oppositionelle hoffen dagegen auf einen Militärputsch. Als wolle die Führung in Bagdad diesem Wunsch einen Dämpfer verpassen, übertrug das irakische Fernsehen am Freitag Aufnahmen eines Manövers der irakischen Armee. Es ist das erste seit Ende des Golfkrieges.
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