Eisenbahn-Chef Heinz Dürr will von Japan lernen

■ ...und mit der Privatisierung die Schuldenkrise der deutschen Bahnen besiegen

Tokio (dpa/vwd) – Die Deutsche Bundesbahn und die größte japanische Bahngesellschaft, East Japan Railway (JR East), wollen künftig in den Bereichen Technik und Management zusammenarbeiten. Der Chef von Bundesbahn und Reichsbahn, Heinz Dürr, und der Präsident von JR East, Shoji Sumita, unterzeichneten gestern in Tokio ein Kooperationsabkommen. Nach der Vereinbarung wollen die Gesellschaften gemeinsam umweltfreundliche Hochgeschwindigkeitszüge, Wartungssysteme und neue Verfahren zur elektronischen Streckenführung entwickeln. Die deutschen Eisenbahnen wollen daneben für ihre geplante Privatisierung von japanischen Erfahrungen profitieren.

Die staatliche Bahngesellschaft Japans war 1987 wegen hoher Verschuldung in sieben unabhängige Regionalgesellschaften aufgegliedert worden.

„Hier ist das Umschalten vom behördenmäßigen auf das unternehmerische Denken schon gelungen“, sagte Dürr. Anfang 1993 will die Bundesbahn ein Verbindungsbüro in Tokio eröffnen, um den Austausch von Fachleuten zu organisieren.

JR East, das als größte Regionalgesellschaft für den Bahnverkehr in der Hauptstadt Tokio sowie im Osten der Hauptinsel Honshu zuständig ist, will Anfang 1993 ein deutsches Drehgestell (Fahrwerk) für Hochgeschwindigkeitszüge in seinem Prototyp „Star21“ erproben. Bei guten Resultaten will Unternehmenschef Shoji Sumita die von MAN gefertigten Drehgestelle in seinen künftigen Schnellbahnen einsetzen.

Heinz Dürr gab zu, daß die Zusammenarbeit der beiden Bahngesellschaften zu Unstimmigkeiten mit der deutschen Industrie führen könne, die weltweit mit dem Schnellzug ICE gegen den japanischen Shinkansen und den französischen TGV konkurriert. Dürr schloß auch nicht den verstärkten Einsatz japanischer Technik in deutschen Eisenbahnen aus.

JR East, der neue Partner der Deutschen Bundesbahn, ist die größte von sieben privatisierten Nachfolgefirmen, die 1987 aus der staatlichen Japanese National Railways (JNR) hervorgingen. Während JR East für den Schienenverkehr in Tokio und im Osten der Hauptinsel Honshu verantwortlich ist, decken die anderen Regionalgesellschaften die Nordinsel Hokkaido, die Südinsel Kyushu und die Insel Shikoku ab. JR Tokai betreibt die wichtigen Strecken zwischen Osaka und Tokio, JR West den Westen von Honshu.

Zwischen 1988 und 1991 verdreifachte die gesamte Unternehmensgruppe ihren Gewinn auf 160 Milliarden Yen (zwei Mrd. DM). Die Zahl der Fahrgäste pro Jahr stieg in dieser Zeit von 7,4 auf acht Milliarden. Die Nahverkehrslinien in den Ballungszentren fahren mit einer Auslastung von bis zu 250 Prozent. Seit der Privatisierung verlor jeder zweite Eisenbahner seinen Arbeitsplatz. Heute hat die JR-Gruppe noch 182.000 Beschäftigte. Trotz Einsparungen und ansehnlicher Gewinne konnten die Bahnen die Schuldenlast von 5,42 Billionen Yen (67 Mrd. DM) kaum reduzieren.