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Staatsstreich von oben? Ohne uns!

■ Verfassungsbruch nicht mit FDP und SPD/ Linke wollen Prominenten-Demo boykottieren

Bonn (taz/dpa) – Schärfstens und mit aller Entschiedenheit wollen sich SPD und FDP gegen einen vorsätzlichen Verfassungsbruch zur Wehr setzen. Das Gerede von einem „Staatsnotstand“, so SPD-Geschäftsführer Karlheinz Blessing, sei „eine schlimme Panikmache“, die nur dazu diene, die Delegierten des SPD-Sonderparteitages unter Druck zu setzen. SPD- Fraktionschef Hans-Ulrich Klose erklärte, „wer in der Zuwanderungsproblematik vorsätzlichen Verfassungsbruch ankündigt, muß mit dem entschiedenen und prinzipiellen Widerstand der deutschen Sozialdemokraten rechnen“.

Als „Staatsstreich von oben“ bezeichnete die SPD-Finanzexpertin Matthäus- Maier Pläne der Union, mit Verweis auf einen angeblichen „Staatsnotstand“ die Verfassung umgehen zu wollen. FDP- Chef Lambsdorff faßte es knapper: „Einen Verfassungsbruch macht die FDP nicht mit.“

Nach diesen harschen Reaktionen bewegte sich Kanzleramtsminister Friedrich Bohl gestern erst einmal im Rückwärtsgang. Per Pressemitteilung ließ er im Namen seines Kanzlers verbreiten, entgegen den Behauptungen in verschiedenen Presseorganen plane Helmut Kohl nicht, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen die Verfassung verstoßen. Nicht namentlich genannte Personen aus der unmittelbaren Umgebung Kohls versuchten den Vorstoß vom Wochenende als Gedankenspiel herunterzureden, das falsch interpretiert worden sei. Auf keinen Fall sollten Maßnahmen zur Abschreckung von Asylbewerbern „die Grenzen der Verfassung sprengen“. Kohl befürchte, daß der Bürger den Eindruck bekäme, der Staat werde handlungsunfähig. Diesen „Staatsnotstand“ verstehe Kohl politisch und nicht im juristischen Sinne. Er mache sich aber Gedanken für den Fall X, das heißt, falls die SPD eine Änderung des Artikels 16 Grundgesetz ablehne. Einzelheiten dieser Überlegungen sollen jedoch noch nicht bekanntgegeben werden.

Im Widerspruch dazu behauptete Bohl, innerhalb der Bundesregierung finde „derzeit noch keine Diskussion darüber statt, was im Falle einer Ablehnung der Petersberger Beschlüsse durch die Sozialdemokraten zu tun sei“. Die Bundesregierung müsse dann „weiter im Rahmen der Verfassung nach Möglichkeiten suchen, den drohenden Staatsnotstand abzuwehren“. Bohl vermied es, das vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/ CSU in die Diskussion gebrachte „Asylsicherungsgesetz“ noch einmal zu erwähnen. Mit diesem Gesetz, das im Falle einer Ablehnung einer Grundgesetzänderung verabschiedet werden sollte, wollte die Union Flüchtlinge abschieben, auch auf das Risiko hin, daß ein solches Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird.

Auch aufgrund dieser jüngsten CDU- Überlegungen mehren sich jetzt die Stimmen aus der Linken, an der für kommenden Sonntag, den 8. November geplanten Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt in Berlin nicht teilzunehmen. In einem Aufruf des Komitees für Grundrechte und Demokratie warnen Andreas Buro und Klaus Vack vor einer Teilnahme an einer Demonstration, bei der „das politische Establishment seine Hände in Unschuld wäscht, um danach um so ungenierter das Asylrecht zu verstümmeln“.

Selbst SPD-Geschäftsführer Blessing bekundete zwar gestern trotz Staatsnotstandsdebatte die Bereitschaft seiner Partei, an der Demo teilzunehmen, gab aber zu, daß dort wohl etliche „Scheinheilige“ auf der Straße sein werden. Seiten 3 und 10

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